Autor: FSC Deutschland | 24.02.2022

Was hat Jagd mit Klimaschutz zu tun?

Die Rolle von Jagd für den Wald aus Sicht von FSC, Herausforderungen für die Jägerschaft, Stimmen und Meinungen von FSC-Mitgliedern

Im aktuellen Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist die Orientierung an einer naturnahen und klimaresilienten Waldbewirtschaftung verankert. Damit ist nun auf oberster politischer Ebene angekommen, wofür sich FSC Deutschland seit langem einsetzt, den Aufbau klimastabiler Wälder. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Verjüngung des Waldes mit standortgerechten Baumarten. Zentral für dieses Ziel sind angepasste Wildbestände – und damit die Jagd.

Die seit 2018 anhaltende Trockenheit, massiver Borkenkäferbefall sowie Stürme und Waldbrände haben in den letzten Jahren zu großen Schäden in den deutschen Wäldern geführt. Die größten Probleme haben dabei Wälder, die in Bezug auf Baumartenzusammensetzung und Struktur naturfern sind. Als klimaresilient hingegen gelten standortgerechte, naturnahe Laub- und Mischwälder. Um diese aufzubauen, setzt FSC, jenseits von oft ineffektiven und teuren Schutzmaßnahmen wie dem Bau von Zäunen, v.a. auf die natürliche Verjüngung des Waldes. Bäume können jedoch nicht nachwachsen, wenn sie im Jugendalter verbissen werden, das heißt Knospen und Triebe aufgrund zu hoher Rehwilddichten von diesen abgebissen werden. Gerade die Baumarten, die in der Zukunft eine wichtige Rolle spielen werden, wie Tanne oder Eiche stehen auf dem Speiseplan der Rehe weit oben, wohingegen spitze und harte Fichtentriebe weniger beliebt sind.

Verbissschutz durch reduzierte Wildbestände
„Deswegen ist eine unserer zentralen Forderungen für Waldwirtschaft in Zeiten des Klimawandels, die Wildbestände anzupassen. Dafür ist ein effektives Jagdmanagement unabdingbar“, so Elmar Seizinger Waldbereichsleiter bei FSC Deutschland. Wo die Herausforderungen einer solchen effektiven Jagd liegen, beschreibt Volker Diefenbach, Vorstandsmitglied von FSC Deutschland und Bürgermeister der Gemeinde Heidenrot: „Es liegen drei Jahre Waldkatastrophe hinter uns. Dadurch ist in einem seit Jahrzehnten nicht da gewesenen Umfang Wiederbewaldung gefordert. Die Jägerschaft kann sich hier beweisen und zeigen, dass sie Problemlöser und Naturschützer ist. Die Wildbestände sind jedoch so außer Kontrolle, dass ein ehrenamtliches Jagdmanagement in manchen Regionen nicht mehr zu schaffen und nur noch professionell zu bewältigen ist.“ Heidenrot ist mit fast 5.000 Hektar Wald die Waldreichste Gemeinde in Hessen.

Bevorzugt: Revierübergreifende Intervall- oder Bewegungsjagden
Jagdmanagement ist nicht nur eine Forderung von FSC, sondern auch fester Bestandteil des Deutschen FSC-Standards, also dem zentralen Regelwerk für eine FSC-Waldzertifizierung. Darüber hinaus empfiehlt Elmar Seizinger revierübergreifende Intervall- oder Bewegungsjagden mit geübten Schützen und gut ausgebildeten Hunden, denn „permanente Einzeljagden bringen viel Unruhe in den Wald und erzeugen viel Stress bei den Wildtieren“. Ein Ansatz, den auch der Ökologische Jagdverband (ÖJV) vertritt. Als FSC-Mitglied unterstützt ÖJV- Vorsitzende Elisabeth Emmert dessen Position. Sie betont, dass ein waldfreundliches Jagdmanagement ein Schlüssel für waldbaulichen Erfolg ist und nicht nur Vorteile im Naturschutz mit sich bringt, sondern auch wirtschaftliche Chancen bietet. „Die jährlichen Prüfberichte [öffentlichverfügbare FSC-Prüfberichte, anm. der Redaktion] zeigen jedoch, dass gerade beim Jagdmanagement noch häufig Nachbesserungsbedarf besteht. Die Sensibilisierung der Waldbesitzenden für angepasste Wald-Wild-Zusammenhänge ist deswegen wichtig, denn die Jäger:innen tun das, was ihnen der Pachtvertrag vorgibt“, so Emmert.

Warum Mischwälder?
Als Folge der Verdrängung durchdie Fichte und zu hoher Wilddichten kommen in vielen Wäldern natürlich vorkommende Baumarten, wie Eiche, Linde, Bergahorn oder Kirsche kaum oder gar nicht mehr vor. Dadurch verlieren Waldbesitzende waldbauliche Steuerungsmöglichkeiten und tragen ein erheblich höheres Risiko, wenn die wenigen vorkommenden Arten durch Krankheiten, Sturm- oder Dürreschäden ausfallen. Deswegen ist der Aufbau naturnaher Mischwälder so wichtig. Denn in diesen arten- und strukturreichen Wäldern findet eine permanente Anpassung an die sich ändernden Klimabedingungen statt. Sie sind widerstandsfähiger gegenüber Insekten sowie Dürren und anderen Extremwetterereignissen. Bei Schäden können sich naturnahe gesunde Wälder schneller und besser erholen.

Warum sind die Wildbestände so hoch?
Deutsche Wälder sind aufgrund von Holznutzung und Forstwirtschaft, aber auch durch Sturmereignisse und Borkenkäfer relativ licht. Allein in den letzten vier Jahren sind deutschlandweit über 300.000 ha neue Kahlflächen aufgrund von Trockenheit und Borkenkäferbefall entstanden. Weil mehr Licht auf den Waldboden kommt, ist das Nahrungsangebot für Rehwild deutlich größer und die Populationen entsprechend auch. Ein stark gesteigertes Nahrungsangebot durch angrenzende landwirtschaftliche Flächen sowie relativ milde Winter, welche zu geringeren natürlichen Sterberaten führen, tun ein Übriges, um Wildpopulation in deutschen Wäldern in die Höhe zu treiben.

Weitere Informationen im FSC-Themenpapier >>Die Jagd – Der Schlüssel für einen stabilen Wald

FSC-Mitglieder im Gespräch: Thema Jagd
Wir haben mit FSC-Mitgliedern aller drei Kammern gesprochen: Welche Rolle spielt die Jagd für den Wald, vor welchen Herausforderungen steht die Jägerschaft und was wünschen sie sich von der neuen Bundesregierung?
Zum Interview mit: