Autor: FSC Deutschland | 30.03.2022

FSC-Mitglieder im Gespräch: Elisabeth Emmert

Im FSC Deutschland sind einige Mitglieder als aktive Jäger:innen tätig. Mit drei von ihnen haben wir uns zu diesem Thema unterhalten.

Zum Thema Jagd sprachen wir mit Elisabeth Emmert für die Umweltkammer (Ökologischer Jagdverband), Volker Diefenbach für die Sozialkammer (IG BAU) und Sabine Rippelbeck als Vertreterin aus der Wirtschaftskammer (Stadt Wiesbaden) und wollten wissen: Welche Rolle spielt die Jagd für den Wald? Was eint die Perspektiven unserer Mitglieder? Und welche Chancen und Herausforderung birgt Jagd im FSC-Wald?
Lesen Sie hier das erste Interview der Serie „FSC-Mitglieder im Gespräch“ mit Elisabeth Emmert.

In Deutschland sind rund 0,04 Prozent der Bevölkerung registrierte Jäger:innen, im Jahr 2021 wurden mehr als 400.000 Jagdscheininhaber:innen gezählt, Tendenz steigend. Sie sind unter anderem Schlüssel für einen stabilen Wald. Denn großflächig sind in Deutschland die Wilddichten, vor allem Rehwild, so hoch, dass die Vegetation stark leidet. Im FSC-zertifizierten Wald soll die Verjüngung der natürlich vorkommenden Baumarten jedoch ohne Hilfsmittel wie Zäune oder chemische Verbissschutzmittel möglich werden. Um dieses Ziel zu erreichen, ist ein konsequentes Jagdmanagement notwendig.

Wildtiere, die dem Jagdrecht unterliegen, dürfen nur zu bestimmten Zeiten im Jahr bejagt werden. In Deutschland legt das Bundesjagdgesetz, ergänzt durch Landesgesetze, die Jagd- und Schonzeiten fest. Im Winter sind Jäger:innen vor allem auf Bewegungsjagden aktiv. Dabei werden die Tiere mit Treibern und Hunden durch langsames Durchstreifen des Waldunterstandes in Bewegung und so gezielt aus der Deckung gebracht, unter Jäger:innen nennt man diesen Vorgang „drücken“. Die Bewegungsjagd ist eine effektive Methode, um die Bestände von Reh-, Dam- und Rotwild in Waldgebieten anzupassen.

Die Jagd in Deutschland hat eine sehr lange Geschichte. Wie lange sind Sie schon in der Jagd aktiv und welche Beweggründe haben Sie motiviert, die Jägerprüfung abzulegen?
Frau Emmert: Durch mein familiäres Umfeld war mir die Jagd schon immer geläufig – gerade in ländlichen Regionen war das sehr üblich. Durch die wildbiologischen Schwerpunkte im Studium und Praxiserfahrungen, insbesondere im Forstamt Ebrach, erweiterte sich mein Blickwinkel um die Zusammenhänge zwischen Wald und Wild. Inhaberin des Jagdscheins bin ich seit 1985.

Gemäß Befragungen des deutschen Jagdverbandes sind rund 80 Prozent der Deutschen davon überzeugt, dass die Jagd notwendig ist, um Wildbestände zu regulieren und Wildschäden in Wald und Feldern vorzubeugen. Dennoch kommt es immer wieder zu Konflikten mit Erholungssuchenden. Haben Sie das Gefühl, dass sich das Bild des Jägers in den letzten Jahren verändert hat?
Frau Emmert: Eine gewisse Skepsis der Bevölkerung gegenüber der Jägerschaft besteht auch heute noch. Jäger rücken häufig ihr Revierdenken und damit verbundene Privilegien, wie das Befahren der Forstwege oder das Tragen von Waffen, in den Vordergrund. So ist das Zusammenspiel Gesellschaft-Jagd-Naturschutz durchaus noch von Spannungen geprägt. Für die Zukunft ist es wichtig, dass die Jägerschaft auch beachtet, was die Gesellschaft akzeptiert. Der Ökologische Jagdverband setzt sich für eine zeitgemäße und moderne Jagd ein. Diese als Antwort auf die Wald-Wild Frage findet auch Unterstützung in den Umwelt- und Tierschutzverbänden. Die Regulation von Wildbeständen und Verhütung von Schäden in der Land- und Forstwirtschaft muss endlich auf großer Fläche umgesetzt werden, um die Akzeptanz der Gesellschaft zu behalten.

Und wie ist das Bild der Frau in der Jägerschaft?
Frau Emmert: Frauen werden bei der Jagd aufmerksam beäugt. Mit vergifteter Anerkennung wie „Ach, sie hat ja auch was geschossen!“ sehen sich Frauen bei der Jagd wiederkehrend konfrontiert. Doch während Frauen manchmal etwas zu zögerlich agieren, riskieren Männer häufiger eine Nachsuche. Der Trend zu einem naturnahen Lebensstil und liberalisierte Ausbildungsmöglichkeiten sorgen für Nachwuchs in der Jägerschaft, auch der Jäger:innen-Anteil wächst.

Die seit 2018 anhaltende Trockenheit, massiver Borkenkäferbefall sowie Stürme und Waldbrände haben in den letzten Jahren zu großen Schäden in den deutschen Wäldern geführt. Wie blicken Sie auf die aktuellen Herausforderungen im deutschen Wald und welchen Beitrag kann die Jagd aus Ihrer Sicht für die Wälder leisten?
Frau Emmert: Klimabedingte Herausforderungen erfordern die gesamte Bandbreite aller Gehölzarten, da wir noch nicht wissen, was der Klimawandel bringt und was sich auf den Flächen bewähren wird. Das Verhältnis Wald-Schalenwild muss so angepasst sein, dass in der Verjüngung Arten nicht selektiv gefressen werden. Die waldfreundliche Jagd trägt dazu bei, dass Naturverjüngung und die Einbringung weiterer Baumarten möglich wird, ohne dass Einbußen entstehen. Dafür braucht es engagierte Jäger:innen mit guten Hunden, die auch in der Praxis fit sind und die die Jagd erfolgreich umsetzen.

Der deutsche FSC-Standard fordert regelmäßige Erhebungen von Wald-Wild-Schäden. Dadurch wird der Einfluss von Schalenwild erfasst und die Abschusszahlen angepasst. Welche Herausforderungen bestehen aus Ihrer Sicht für Jäger:innen im Allgemeinen? Wo sehen Sie Chancen, wo Hürden eines Jagdmanagements, das den Anforderungen der FSC-Zertifizierung entspricht?
Frau Emmert: Ein waldfreundliches Jagdmanagement ist ein wichtiger Schlüssel für waldbaulichen Erfolg. Es ermöglicht sowohl wirtschaftliche Chancen als auch Vorteile im Naturschutz durch eine höhere Artenvielfalt – dieser Zusammenhang muss immer wieder hervorgehoben werden.
FSC hat hierbei eine Vorreiterrolle eingenommen. Stringente Indikatoren im FSC-Standard, die über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen fordern eine natürliche Verjüngung von Baumarten der standortheimischen Waldgesellschaft. Damit leistet die Waldbewirtschaftung nach FSC-Standard einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft. Die Aufgabe der Jäger:innen ist, die Ziele der Gesellschaft, der Waldbesitzer und des FSC umzusetzen. Dafür sollten sie aber auch gewisse Freiheiten haben. Etwa, dass toleranter damit umgegangen wird, dass bei Bewegungsjagden die Hunde Bereiche überjagen, also unbewusst in Nachbarreviere wechseln.
Eine angepasste Wildpopulation ist nicht zuletzt auch eine Chance für das Wild selbst.
In einem angepassten Verhältnis zum Lebensraum geht es den Tieren besser, so verbreiten sich z.B. Krankheiten und Parasiten bei hohen Populationsdichten stärker.
Jagdliche Probleme gibt es aber auch in FSC-Wäldern. Die jährlichen Prüfberichte zeigen, dass gerade beim Jagdmanagement häufig Nachbesserungsbedarf besteht.

Im FSC-Wald soll die natürliche Verjüngung durch angepasste Wildbestände und konsequentes Jagdmanagement gefördert werden. Wie erleben Sie die Jagd im FSC-zertifizierten Wald? Gibt es für Sie Unterschiede zu nicht-zertifizierten Wäldern?
Frau Emmert: In einem FSC-Wald werden die gesetzlichen Anforderungen übertroffen. Der FSC Standard ist anspruchsvoller als andere Zertifizierungssysteme und fordert die gesamte Bandbreite der Vegetation ohne Schutzmaßnahmen. Das ist nicht einfach, aber der ökologische Mehrwert entsteht nicht nur für den Waldbesitz. Auch der Lebensraum von z.B. Insekten und Käfern wird verbessert, wenn nicht nur noch Verbiss resistente Brombeere, Ginster & Co. übrigbleiben. Die Bundeswaldinventur hat gezeigt, dass auch in geschützten Verjüngungsflächen ein durchaus hoher Verbiss auftritt, was den Sinn von Schutzmaßnahmen in Frage stellt.
Die Sensibilisierung der Waldbesitzenden für angepasste Wald-Wild Zusammenhänge bleibt wichtig, denn die Jäger:innen tun das, was Ihnen der Pachtvertrag vorgibt.

Das Bundesjagdgesetz stand im Jahr 2020 vor einer Novellierung. Welche Forderungen würden Sie diesbezüglich an die neue Bundesregierung stellen?
Frau Emmert: Der aktuelle Koalitionsvertrag beinhaltet keine Novellierung des Jagdgesetzes, was jedoch notwendig wäre. Ein Vorangehen und Vereinheitlichen, gemäß der teilweise schon fortschrittlichen Landesjagdgesetze z.B. in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, wäre ein wichtiges Zeichen. Vegetationsgutachten sind als Grundlage für Abschusspläne heranzuziehen, die nur Mindestabschüsse vorgeben sollten. Die Vegetationsperiode hat sich verschoben, sodass die Jagdzeiten synchronisiert und angepasst werden müssen. Zudem wären z.B. eine höhere Flexibilität beim Thema Pachtzeiten sowie die Einführung regelmäßiger Schießleistungsnachweise wichtig.

Und zum Abschluss: Was ist Ihr liebstes Gericht aus der Wildküche?
Frau Emmert: Die, möglichst fränkische, Wildbratwurst. Für diese können alle Teile des Wilds verwendet werden. Außerdem lässt sich eine Bratwurst ganzjährig genießen, sie schmeckt in verschiedenen Kombinationen mit Salat oder Gemüse.

FSC-Mitglied: Elisabeth Emmert

Elisabeth Emmert ist seit 1992 gewählte 1. Vorsitzende des Ökologischen Jagdverbands (ÖJV) und setzt sich für eine zeitgemäße Jagd ein. Der ÖJV gehört zu den Gründungsmitgliedern des FSC in Deutschland. Über die Mitgliedschaft im FSC Deutschland sagt sie:

Der Ökologische Jagdverband ist Mitglied bei FSC Deutschland, weil FSC eine waldfreundliche Jagd unterstützt und angepasste Wildbestände fordert.

 

Lesen Sie hier das Interview mit Volker Diefenbach.

Lesen Sie hier das Interview mit Sabine Rippelbeck.