Autor: FSC Deutschland | 27.04.2022
FSC-Mitglieder im Gespräch: Sabine Rippelbeck
Im FSC Deutschland sind einige Mitglieder als aktive Jäger:innen tätig. Mit drei von ihnen haben wir uns zu diesem Thema unterhalten.
Zum Thema Jagd sprachen wir mit Elisabeth Emmert für die Umweltkammer (Ökologischer Jagdverband), Volker Diefenbach für die Sozialkammer (IG BAU) und Sabine Rippelbeck als Vertreterin aus der Wirtschaftskammer (Stadt Wiesbaden) und wollten wissen: Welche Rolle spielt die Jagd für den Wald? Was eint die Perspektiven unserer Mitglieder? Und welche Chancen und Herausforderung birgt Jagd im FSC-Wald?
Lesen Sie hier das dritte Interview der Serie „FSC-Mitglieder im Gespräch“ mit Sabine Rippelbeck.
In Deutschland sind rund 0,04 Prozent der Bevölkerung registrierte Jäger:innen, im Jahr 2021 wurden mehr als 400.000 Jagdscheininhaber:innen gezählt, Tendenz steigend. Sie sind unter anderem Schlüssel für einen stabilen Wald. Denn großflächig sind in Deutschland die Wilddichten, vor allem Rehwild, so hoch, dass die Vegetation stark leidet. Im FSC-zertifizierten Wald soll die Verjüngung der natürlich vorkommenden Baumarten jedoch ohne Hilfsmittel wie Zäune oder chemische Verbissschutzmittel möglich werden. Um dieses Ziel zu erreichen, ist ein konsequentes Jagdmanagement notwendig.
Wildtiere, die dem Jagdrecht unterliegen, dürfen nur zu bestimmten Zeiten im Jahr bejagt werden. In Deutschland legt das Bundesjagdgesetz, ergänzt durch Landesgesetze, die Jagd- und Schonzeiten fest. Im Winter sind Jäger:innen vor allem auf Bewegungsjagden aktiv. Dabei werden die Tiere mit Treibern und Hunden durch langsames Durchstreifen des Waldunterstandes in Bewegung und so gezielt aus der Deckung gebracht, unter Jäger:innen nennt man diesen Vorgang „drücken“. Die Bewegungsjagd ist eine effektive Methode, um die Bestände von Reh-, Dam- und Rotwild in Waldgebieten anzupassen.
Die Jagd in Deutschland hat eine sehr lange Geschichte. Wie lange sind Sie schon in der Jagd aktiv und welche Beweggründe haben Sie motiviert die Jägerprüfung abzulegen?
Frau Rippelbeck: Beruflich bin ich schon seit 30 Jahren im Forstbetrieb Wiesbaden tätig. Die Jagdprüfung absolvierte ich schon während meines forstlichen Studiums zu Beginn der 80er Jahre. Inzwischen liegt meine jagdliche Aktivität jedoch mehr im Bereich der Organisation und Öffentlichkeitsarbeit, draußen unterwegs mit dem Gewehr bin ich seit einigen Jahren nicht mehr.
Gemäß Befragungen des deutschen Jagdverbandes sind rund 80 Prozent der Deutschen davon überzeugt, dass die Jagd notwendig ist um Wildbestände zu regulieren und Wildschäden in Wald und Feldern vorzubeugen. Dennoch kommt es immer wieder zu Konflikten mit Erholungssuchenden. Haben Sie das Gefühl, dass sich das Bild des Jägers in den letzten Jahren verändert hat?
Frau Rippelbeck: Die aktuellen Klimaveränderungen brauchen angepasste Jagdmethoden. Das Bewusstsein darüber etabliert sich gerade und das Bild hierfür muss sich sowohl innerhalb der Jägerschaft, als auch bis hin zur Gesellschaft verbreiten.
Die seit 2018 anhaltenden Trockenheit, massiver Borkenkäferbefall sowie Stürme und Waldbrände haben in den letzten Jahren zu großen Schäden in den deutschen Wäldern geführt. Wie blicken Sie auf die aktuellen Herausforderungen im deutschen Wald und welchen Beitrag kann die Jagd aus Ihrer Sicht für die Wälder leisten?
Frau Rippelbeck: Der Klimawandel ist bedenklich, doch gibt es noch Hoffnungsschimmer. Die Jagd ist eine Stellschraube für einen klimastabilen Wald. Doch es muss dringend gehandelt werden. Durch verstärkte und eine veränderte Art der Jagd, kann Mischwald auch natürlich auf entwaldeten Flächen entstehen.
Die Herausforderung besteht jedoch in der Umsetzbarkeit. Das heutige Jagdmanagement allein anhand von Wildschäden auszurichten ist nicht mehr ausreichend. Die Bedürfnisse der Wildtiere müssen miteinbezogen werden, denn es kann durchaus vorkommen, dass sich die Tiere an ihre Lebensumstände anpassen, dabei waldbaulich vertretbare Schälschäden verursachen, aber trotzdem erheblich zur Entmischung des Bestandes beitragen. Die Entmischung ist ein vitales Problem für den Wald.
Es braucht eine andere Art der Jagd und diese muss politisch gestärkt werden und von Bewusstseinsarbeit in allen Interessensgruppen begleitet werden, vom Jäger bis zum Erholungssuchenden.
Der deutsche FSC-Standard fordert regelmäßige Erhebungen von Schäden am Wald, die durch Wild verursacht wurden. Dadurch wird der Einfluss von Schalenwild, wie zum Beispiel Reh- oder Rotwild, erfasst und die Abschusszahlen der Jagd daran angepasst. Welche Herausforderungen bestehen aus Ihrer Sicht für Jäger:innen im Allgemeinen? Wo sehen Sie Chancen, wo Hürden eines Jagdmanagements, das den Anforderungen der FSC-Zertifizierung entspricht?
Frau Rippelbeck: Die Chance eines erfolgreichen Jagdmanagements ist, dass sich durch eine angepasste Reduzierung der Wildbestände auch auf entwaldeten Flächen eine natürliche Wiederbewaldung entwickeln kann. Doch der FSC-Standard allein ist kein Garant dafür. Unterschiedliche Erwartungen zwischen Pächtern, Jägern und Waldbesitzenden erfordern Gespräche und Vor-Ort-Termine. Bei der Jagdvergabe wird den Pächtern zwar der FSC-Standard an die Hand gegeben, doch entbindet dieser nicht von der Aufklärungsarbeit und Überprüfung.
Im Allgemeinen fordern die veränderten Waldstrukturen Jäger:innen heraus. Im Vergleich zu den Wäldern noch vor 30 Jahren, ist die Jagd heute durch vielschichtige Bestände erschwert. So ist zum Beispiel im April oder Mai auf Grund der fortgeschrittenen Vegetation kaum mehr der Kopf der Wildtiere erkennbar, noch kann das Gesäuge erkannt werden.
Im FSC-Wald soll die natürliche Verjüngung durch angepasste Wildbestände und konsequentes Jagdmanagement gefördert werden. Wie erleben Sie die Jagd im FSC-zertifizierten Wald? Gibt es für Sie Unterschiede zu nicht-zertifizierten Wäldern?
Frau Rippelbeck: Das Forstamt Wiesbaden ist für eine 4300 ha große Waldfläche verantwortlich, die in unterschiedlicher Weise bejagt wird. Zum einen sitzt das Forstamt mit in Jagdgenossenschaften, zum Teil sind auch Eigenjagden verpachtet.
Mit vereinzelten Verwaltungsjagden lässt sich zwar auf der Fläche etwas bewegen, allerdings ist ein flächendeckender Erfolg schwer umsetzbar. In Deutschland sind die Waldbesitzstrukturen komplex und zusätzlich sind auf Waldflächen viele Akteure. So führen kleinflächige Jagden dazu, dass man an vielen Baustellen unterwegs ist. Klare Unterschiede sind deshalb schwer auszumachen.
Das Bundesjagdgesetz stand im Jahr 2020 vor einer Novellierung. Welche Forderungen würden Sie diesbezüglich an die neue Bundesregierung stellen?
Frau Rippelbeck: Zuerst sollten Abschusspläne abgeschafft werden und das Jagdmanagement am Zustand der Vegetation ausgerichtet werden. Die Zahl der Wildtiere ist nicht entscheidend, sondern der Zustand des Waldes.
Und zum Abschluss: Was ist Ihr liebstes Gericht aus der Wildküche?
Frau Rippelbeck: Der Forstbetrieb Wiesbaden vermarktet das regionale Wildbret. Gerade in den Wintermonaten ist die Nachfrage traditionell hoch. Für die Sommersaison hat sich Wildfleisch noch nicht richtig etabliert, dabei eignet es sich hervorragend auch zum Grillen. Der Mythos, dass Wildfleisch eine aufwändige Zubereitung bedarf ist also ein Irrglaube. Mein Favorit: Eingelegte Rehsteaks vom Grill und für die kalten Monate ein Wildschweinkeulenbraten.
FSC-Mitglied: Sabine Rippelbeck
Beruflich ist Sabine Rippelbeck schon seit 30 Jahren im Forstbetrieb Wiesbaden tätig. Seit 1992 leitet sie die Forstabteilung für den Stadtwald Wiesbaden. Unter ihrer Führung ist die Stadt Wiesbaden 1999 dem FSC Deutschland beigetreten. Über die Mitgliedschaft im FSC Deutschland sagt sie:
„Die Stadt Wiesbaden ist Mitglied bei FSC Deutschland, weil dies die konsequente Fortführung der waldbaulichen Zielsetzung war und die Stadt Wiesbaden bereits damals Mitglied des Klimabündnisses war.„
Lesen Sie hier das Interview mit Elisabeth Emmert.
Lesen Sie hier das Interview mit Volker Diefenbach.