Autor: FSC Deutschland | 01.03.2022

FSC-Mitglieder im Gespräch: Volker Diefenbach

Im FSC Deutschland sind einige Mitglieder als aktive Jäger:innen tätig. Mit drei von ihnen haben wir uns zu diesem Thema unterhalten.

Zum Thema Jagd sprachen wir mit Elisabeth Emmert für die Umweltkammer (Ökologischer Jagdverband), Volker Diefenbach für die Sozialkammer (IG BAU) und Sabine Rippelbeck als Vertreterin aus der Wirtschaftskammer (Stadt Wiesbaden) und wollten wissen: Welche Rolle spielt die Jagd für den Wald? Was eint die Perspektiven unserer Mitglieder? Und welche Chancen und Herausforderung birgt Jagd im FSC-Wald?
Lesen Sie hier das erste Interview der Serie „FSC-Mitglieder im Gespräch“ mit Volker Diefenbach.

In Deutschland sind rund 0,04 Prozent der Bevölkerung registrierte Jäger:innen, im Jahr 2021 wurden mehr als 400.000 Jagdscheininhaber:innen gezählt, Tendenz steigend. Sie sind unter anderem Schlüssel für einen stabilen Wald. Denn großflächig sind in Deutschland die Wilddichten, vor allem Rehwild, so hoch, dass die Vegetation stark leidet. Im FSC-zertifizierten Wald soll die Verjüngung der natürlich vorkommenden Baumarten jedoch ohne Hilfsmittel wie Zäune oder chemische Verbissschutzmittel möglich werden. Um dieses Ziel zu erreichen, ist ein konsequentes Jagdmanagement notwendig.

Wildtiere, die dem Jagdrecht unterliegen, dürfen nur zu bestimmten Zeiten im Jahr bejagt werden. In Deutschland legt das Bundesjagdgesetz, ergänzt durch Landesgesetze, die Jagd- und Schonzeiten fest. Im Winter sind Jäger:innen vor allem auf Bewegungsjagden aktiv. Dabei werden die Tiere mit Treibern und Hunden durch langsames Durchstreifen des Waldunterstandes in Bewegung und so gezielt aus der Deckung gebracht, unter Jäger:innen nennt man diesen Vorgang „drücken“. Die Bewegungsjagd ist eine effektive Methode, um die Bestände von Reh-, Dam- und Rotwild in Waldgebieten anzupassen.

Die Jagd in Deutschland hat eine sehr lange Geschichte. Wie lange sind Sie schon in der Jagd aktiv und welche Beweggründe haben Sie motiviert, die Jägerprüfung abzulegen?
Herr Diefenbach: Das sind inzwischen schon einige Jahre – seit 1988. Motiviert durch den Wunsch, Förster zu werden und mit der der Natur verbunden zu sein. Schon als Kind war die Naturverbundenheit in mir. In meiner heutigen Funktion als Bürgermeister befasse ich mich auch alltäglich noch mit jagdlichen Fragen. Die forstliche Aufsicht über die 4.600 Hektar Gemeindewald in Heidenrod beinhalten zum einen die dazugehörigen Eigenjagden und zum anderen obliegt mir die Leitung einer Genossenschaftsjagd.

Gemäß Befragungen des deutschen Jagdverbandes sind rund 80 Prozent der Deutschen davon überzeugt, dass die Jagd notwendig ist, um Wildbestände zu regulieren und Wildschäden in Wald und Feldern vorzubeugen. Dennoch kommt es immer wieder zu Konflikten mit Erholungssuchenden. Haben Sie das Gefühl, dass sich das Bild des Jägers in den letzten Jahren verändert hat?
Herr Diefenbach: Die Jägerschaft hat sich in den vergangenen Jahren extrem gewandelt. Traditionen und Formen, auf die früher sehr viel wert gelegt wurde, wie z.B. die herrschaftliche Art der Jagdpächter, wandeln sich hin zu einem nahezu kameradschaftlichen Verhältnis. Dazu orientiert sich die heutige Jägerschaft mehr an den Jagd- und Streckenergebnissen. Während es in den 80er Jahren noch ein Tribunal war, Rehwild zu schießen, freut man sich heute, wenn diese auf einer Drückjagd zur Strecke kommen, denn seit Ende der 1990er Jahre sind die Wildpopulationen total außer Kontrolle geraten.

Und wie ist das Bild der Frau in der Jägerschaft?
Herr Diefenbach: Frauen gehören zu der Kameradschaft dazu. Heute sind auf Jagden bis zu 40% Frauen dabei, auch junge Frauen.

Die seit 2018 anhaltende Trockenheit, massiver Borkenkäferbefall sowie Stürme und Waldbrände haben in den letzten Jahren zu großen Schäden in den deutschen Wäldern geführt. Wie blicken Sie auf die aktuellen Herausforderungen im deutschen Wald und welchen Beitrag kann die Jagd aus Ihrer Sicht für die Wälder leisten?
Herr Diefenbach: Es liegen drei Jahre Waldkatastrophe hinter uns. Dadurch ist in einem seit Jahrzehnten nicht da gewesenen Umfang Wiederbewaldung gefordert. Die Jägerschaft kann sich hier beweisen und zeigen, dass sie Problemlöser und Naturschützer ist. Als echte Naturschützer werden Jäger:innen bei der Ausübung der Jagd zu einem Teil der Natur. Die aktuelle Herausforderung ist, die Balance zu finden, dass Wald wachsen kann aber trotzdem anderen Arten Raum gelassen wird, dazu gehören Pflanzen wie Tiere.
Die Wildbestände sind so außer Kontrolle, dass ein ehrenamtliches Jagdmanagement in manchen Regionen nicht mehr zu schaffen und nur noch professionell zu bewältigen ist. Das belastet die ehrenamtliche Jägerschaft natürlich.

Der deutsche FSC-Standard fordert regelmäßige Erhebungen von Wald-Wild-Schäden. Dadurch wird der Einfluss von Schalenwild erfasst und die Abschusszahlen angepasst. Welche Herausforderungen bestehen aus Ihrer Sicht für Jäger:innen im Allgemeinen? Wo sehen Sie Chancen, wo Hürden eines Jagdmanagements, das den Anforderungen der FSC-Zertifizierung entspricht?
Herr Diefenbach: Die Herausforderung im Jagdmanagement sind Strukturen. Zum einen die unterschiedlichen Reglungen in den Bundesländern, zum anderen die strukturellen Grundeinstellungen innerhalb der Jägerschaft selbst. Die Versäumnisse der Vergangenheit können aufgelöst werden, indem die jagdlichen Anforderungen anhand des Vegetationszustandes festgemacht werden – das ist der einzige Weg. Für die Jagdpachtverträge in Heidenrod haben wir dafür zum Beispiel ein vertragliches Bonus-Malus-System eingeführt, das die jagdlichen Zielvereinbarungen systematisch anhand der Vegetation festgemacht. Finanzielle Anreize sind bei Erfüllung der Zielvereinbarungen Begünstigungen der Pachtgebühr, oder aber bei Verfehlungen auch finanziell spürbaren Behaftungen bis hin zur Kündigung des Pachtvertrags. Außerdem kann die weitere Modernisierung der Jagdausbildung dazu beitragen, traditionsbedingte Hemmnisse innerhalb der Jägerschaft abzubauen.

Im FSC-Wald soll die natürliche Verjüngung durch angepasste Wildbestände und konsequentes Jagdmanagement gefördert werden. Wie erleben Sie die Jagd im FSC-zertifizierten Wald? Gibt es für Sie Unterschiede zu nicht-zertifizierten Wäldern?
Herr Diefenbach: Der FSC motiviert und bewegt, dass Forstleute sich intensiver mit der Thematik beschäftigen. Der FSC-Standard hat auf die jagdliche Praxis nur geringen Einfluss. Doch werden Forstbetriebe dazu veranlasst sich die Frage zu stellen: Wie viel Wild erträgt mein Wald? Daraus entwickelt sich eine Betriebsführung, die mit einem Wild-Management-Plan arbeitet und diesen auch in den Mittelpunkt stellt. In anderen nicht-zertifizierten Wäldern ist das Jagdmanagement nicht elementar mit der Betriebsführung verbunden und läuft häufig parallel, während ein Jagdmanagement nach FSC-Anforderungen zum Ziel hat, dass Wälder ihrer potentiellen natürlichen Vegetation entsprechen und sich weitgehend selbst regulieren.

Das Bundesjagdgesetz stand im Jahr 2020 vor einer Novellierung. Welche Forderungen würden Sie diesbezüglich an die neue Bundesregierung stellen?
Herr Diefenbach: Relativ schnell sollten die Abschusspläne für Rehwild abgeschafft werden und die Position der Waldbesitzenden im Bundeswaldgesetz gestärkt werden. Gerade bei gemeinschaftlichen Jagdbezirken sind die Interessen nicht immer verbindbar. Konflikte entstehen immer wieder zwischen Landwirtschaft und Waldbesitzenden. Grund dafür ist die Diskrepanz der Produktionszeiträume von jährlich zu langjährig und den damit zusammenhängenden Entschädigungen. Bei der Gestaltung des Jagdmanagements und den Abschussplänen sollte den Waldbesitzenden ein Vetorecht eingeräumt werden.

Und zum Abschluss: Was ist Ihr liebstes Gericht aus der Wildküche?
Herr Diefenbach: Direkt nach einem Jagdtag im Forsthaus die frischgebratene Leber mit Zwiebel, dazu Apfel und Brot.

FSC-Mitglied: Volker Diefenbach

Volker Diefenbach ist seit 2010 gewählter Vorstand der Sozialkammer. Als ausgebildeter Förster arbeitete er bis 2014 als Revierleiter im hessischen Forstamt Bad Schwalbach. Als Gewerkschafter engagiert er sich schon seit über 20 Jahren im Landesverband der IG BAU Hessen und ist dort u.a. Vorsitzender der Bundesvertretung der Beamten/Angestellten in Forst und Naturschutz. Sein kommunalpolitisches Engagement führte ihn 2014 schließlich ins Bürgermeisteramt in seiner Heimatgemeinde Heidenrod. Über die Mitgliedschaft bei FSC Deutschland sagt er:

Ich bin Mitglied bei FSC Deutschland, weil das der Weg zu einer guten Waldwirtschaft ist, die den Wald für alle gestaltet – sozial, ökologisch, wirtschaftlich!

Hier das Interview mit Elisabeth Emmert lesen.

Hier das Interview mit Sabine Rippelbeck lesen.