Autor: FSC Deutschland | 29.01.2021

FSC in der Kontroverse: Digitale Podiumsdiskussion mit internationalen Forstexperten – Eine Zusammenfassung

Bereits zum zweiten Mal veranstaltete FSC Deutschland eine Digitalkonferenz und diskutierte kritisch die Frage „Ist freiwillige Waldzertifizierung beim Schutz der Wälder gescheitert?“. Mit internationalen Gästen bekannter Umweltorganisationen, Wissenschaftlern und Politikern unterstreicht FSC Deutschland dabei eindrucksvoll seine Rolle als Dialogplattform für das Thema Wald.

FSC-Forstwirtschaft im Tropenwald

Gleich die zweite Veranstaltung der gesamten Konferenzreihe widmete sich der Kontroverse um Forstwirtschaft in tropischen Regenwäldern. Die Wälder des Kongobeckens und welche Wirkung FSC-Zertifizierung hier entfalten kann standen im Zentrum der Debatte. Auf dem afrikanischen Kontinent befindet sich der zweitgrößte zusammenhängende tropische Regenwald unseres Planeten. Mit einer Fläche 40mal so groß wie die Schweiz gehört das Kongobecken zu den bedeutendsten Regionen im Kampf gegen die Klimakrise. Doch die afrikanischen Wälder gelten weltweit als bedroht und ihre Fläche wird immer kleiner. Flächenumwandlung, illegaler Holzeinschlag, Brandrodungen, Bergbau und eine stetig wachsende Bevölkerung erhöhen den Druck auf den Wald.

Triple-Krise: Herausforderungen in den tropischen Regenwäldern

Der große Markt für nicht-zertifiziertes Holz aus illegalem Einschlag, Preisdruck für zertifizierte tropische Hölzer und Holzeinschlag als einzige Einkommensquelle der lokalen Bevölkerung sind die großen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen der Waldwirtschaft im Kongobecken. So die einmütige Analyse der Referenten Dr. Harrison Ochieng Kojwang (Direktor FSC Africa), Dr. Claude Martin (Kanzler International University Geneva) und Dr. Paolo Cerutti (Leitender Wissenschaftler im Center for International Forestry Research (CIFOR)). Dr. Christoph Thies (Waldexperte Greenpeace Deutschland) ergänzte dazu eine ökologische „Triple-Krise“ und bezeichnet die industrielle Nutzung der tropischen Urwälder als Problem und zugleich absolutes Tabu.

Verursacht werden ökologische Schäden vor allem durch Unternehmen mit unterschiedlichen Konzessionen sowie durch Infrastruktur. Zertifizierte wie nicht-zertifizierte Einschlagskonzessionen tragen zur Fragmentierung der noch intakten Urwaldflächen bei und erleichtern durch den Bau von Straßen zusätzlich Wilderei, Brandrodungen und illegalen Einschlag, so Dr. Christoph Thies von Greenpeace Deutschland. Waldbewirtschaftung in den tropischen Urwäldern nimmt entscheidenden Einfluss auf die Wälder und schädigt diese, so Thies weiter.

Gebot zur Weiterentwicklung

Dem gegenüber stehen die weltweit gültigen Prinzipien einer FSC-zertifizierten Waldbewirtschaftung. Besonders in wirtschaftlich schwachen Ländern mit wachsender Bevölkerung bietet eine FSC-Zertifizierung Perspektiven und Absicherung gegen illegale Praktiken. Die Waldbewirtschaftung im Kongobecken bietet den Ländern die notwendigen Perspektiven für volkswirtschaftliche Entwicklung, so beschreibt es Dr. Harrison Kojwang, Direktor des FSC Afrika. Soziale Faktoren sind in zentralafrikanischen Ländern sehr wichtig: die Beziehung der Unternehmen zur lokalen Bevölkerung, die Einbindung indigener Gruppen, Arbeitnehmerrechte und gute Arbeitsbedingungen, sowie schon ganz grundsätzlich die Einhaltung der geltenden Gesetze. Dies alles sind strikte soziale Prinzipien und Regeln, die durch FSC-Standards abgesichert und regelmäßig kontrolliert werden.

Wissenschaftliche Studien belegen die deutlichen Verbesserungen durch FSC-Zertifizierung in vielerlei Hinsicht. Als eine der wesentlichsten wissenschaftlichen Erkenntnisse beschreibt Dr. Paolo Cerutti den Langzeiteffekt einer FSC-Zertifizierung. Seine Untersuchungen zeigten, dass sich FSC-zertifizierte Unternehmen mit Hilfe des FSC-Systems zu einem Entwicklungsprozess bereiterklären. FSC-zertifizierte Unternehmen im Kongobecken streben eine Verbesserung ihrer ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Wirkung an. Es konnte verdeutlicht werden, dass in der Umgebung FSC-zertifizierter Konzessionen – besonders in Ländern mit schwacher politischer Struktur – die Holzindustrie der lokalen Bevölkerung den Zugang zu wichtiger Infrastruktur ermöglicht oder diese überhaupt erst etabliert. Transportsysteme, Bildung und Gesundheitssysteme sind Leistungen, die in nicht-zertifizierten Konzessionswäldern nicht gefunden werden, erklärt Dr. Paolo Cerutti.

In der Vergangenheit wurden FSC-zertifizierte Unternehmen häufiger wegen Missachtung der sozialen Anforderungen und fehlerhafter Deklarationen innerhalb der Lieferketten kritisiert. Doch auch hier gibt es vom Podium wissenschaftliche Rückendeckung. Die Erkenntnis, dass das FSC-System in der Lage ist, durch regelmäßige Kontrollen und wiederkehrende Auditierungen Verstöße aufzudecken und die Zertifikate zu beenden, belegt ein funktionierendes FSC-System, so Dr. Paolo Cerutti.

FSC als Teil der Lösung

Die soziale Bedeutung der FSC-Zertifizierung ist unter den Podiumsgästen unumstritten und Dr. Christian Thies von Greenpeace unterstreicht klar, dass FSC signifikante soziale Verbesserungen bewirken kann. Doch ökologische Eingriffe in das Ökosystem, wie die Zerstörung großer zusammenhängender Waldlandschaften (engl. intact forest landscapes, IFL), sind eine große Herausforderung, auf welche die Tropenwaldforstwirtschaft dringend regieren muss, so Thies weiter. Die Integrität der IFL zu erhalten ist unstrittiges Ziel aller Referenten, doch die Dualität zwischen Tropenschutz und -bewirtschaftung kristallisiert sich immer wieder als ein schwer lösbares Problem heraus.

Ökologisch nachhaltige Tropenwaldwirtschaft kann nur sinnvoll gestaltetet werden, wenn eine umfassende Bestandserhebung stattgefunden hat. Der Wissenschaftler und international bekannte Umweltschützer, Dr. Claude Martin, erläutert die aktuellen Verhältnisse im Kongobecken sehr eindrücklich: 1,4% der gesamten IFL-Fläche des Kongobeckens befinden sich innerhalb FSC-zertifizierten Konzessionen und nur 17% der gesamten IFL-Gebiete werden bewirtschaftet. Insgesamt liegen 60% der IFL außerhalb einer unabhängigen Kontrolle. Gebiete innerhalb der IFL- Regionen in Schutzgebiete umzuwandeln reicht nicht aus, um deren Integrität zu sichern, denn Schutzgebiete im Kongobecken gelten teilweise als „leere Wälder“. Große Säugetiere und viele andere Spezies sind bereits aus einigen Schutzgebieten verschwunden. Zu groß sind in diesen Gegenden illegale Aktivitäten wie Wilderei und Brandrodungen. Eine Debatte nur über FSC- Standards im Kongobecken verklärt die aktuelle Lage, so Dr. Claude Martin. Die Bemühungen, die verbleibenden großen intakten Waldflächen, außerhalb der FSC-zertifizierten Wälder, durch verantwortungsvolle nachhaltige Waldwirtschaft zu schützen, müssten verbessert werden. FSC-Zertifizierung könnte dann Teil der Lösung sein, argumentiert Dr. Claude Martin weiter.

Vorreiterland Gabun: FSC als Antwort

Regierungen vergeben in den afrikanischen Staaten die Einschlagskonzessionen und können damit eine Lenkungsfunktion in der tropischen Holzwirtschaft einnehmen. Ein Staat, der diese Rolle sehr ernst nimmt, ist Gabun, an der Westküste Zentralafrikas. Als externer Akteur am Holzmarkt entschied der Präsident des Landes, dass ab dem Jahr 2022 alle Einschlags-konzessionen in den Wäldern Gabuns nach den FSC-Richtlinien bewirtschaftet werden müssen. Podiumsgast Dr. Paolo Cerutti sieht in dem Vorgehen Gabuns einen „Game-Changer“. Im Jahr 2023 wird sich zeigen, ob solch ein Vorhaben generell umsetzbar ist. Weiter bleibt spannend, ob die Holzindustrie in Gabun ihr Niveau so anheben kann, dass die FSC-Kriterien erfüllet werden, oder ob das Land versuchen wird, die nationalen FSC-Standards herabzusenken, um das vorgegebene Ziel zu erreichen. Das Vorhaben wird neue richtungsweisende Erkenntnisse liefern, begrüßt Dr. Paolo Cerutti die FSC-Verpflichtung in Gabun.

Marktanreize und Faire Preise schaffen

Ein anderes Bild zeigt sich in wirtschaftlich schwächeren afrikanischen Ländern wie Kamerun. Steigende Bevölkerungszahlen und Armut erhöhen dort den Druck auf die tropischen Wälder. Hinzu kommen bewaffnete Konflikte in einigen Landesteilen. Brandrodungen und Wilderei zerstören auf großen Flächen intakte Wälder. Ein durch FSC-Zertifizierung gefördertes Konzept, die lokale Bevölkerung durch Bildung zu stärken und wirtschaftliche Anreize zu schaffen, die Wälder verantwortungsvoll zu nutzen, bietet eine aussichtsreichere stabile Lebensgrundlage für die Bevölkerung und trägt damit zum Erhalt der tropischen Regenwälder bei. Das Beispiel Gabun zeigt wie es gehen kann: Die Regierung schaffte hier eine Sonderwirtschaftszone für die Forstindustrie mit lokalen Manufakturen. Arbeitsplätze und Gewinne blieben auf diese Weise im Land und tragen zu seiner Entwicklung bei, berichtet Dr. Harrison Kojwang über die Geschehnisse in Gabun.

Viele Aspekte in Gabun stimmen zuversichtlich, bestätigt auch Dr. Christoph Thies. Doch die Schäden des Klimawandels werden größtenteils von Industrieländern verursacht. Entwaldung in den tropischen Wäldern steht in Zusammenhang mit Konsum und Holzimport der westlichen Welt. Die größte ökonomische Herausforderung einer FSC-zertifizierten Tropenwaldwirtschaft ist aktuell der große Markt für nicht-zertifiziertes und illegales Tropenholz, mit dem diese Unternehmen konkurrieren. Deshalb gelte es, die Preissituation am internationalen Holzmarkt zu verbessern, indem sich Preise entwickeln, die FSC-zertifiziertem Holz mehr wert verleihen. Dies sehen Dirk Riestenpatt, Vorsitzender des FSC Deutschland, und auch der Wissenschaftler Dr. Claude Martin als zentrale Bedingung für den Schutz der Tropenwälder. Preissteuerung durch erhöhte Nachfrage nach FSC-Produkten ist ein Ansatz, den besonders europäischen Ländern beeinflussen können.

Tropenwald im Kongobecken durch FSC-Zertifizierung erhalten

In einer spannenden Podiumsdiskussion, gestützt von zahlreichen wissenschaftlichen Erkenntnissen, sind sich die Gäste am Ende einig: Eine FSC-zertifizierte Tropenwald-bewirtschaftung bringt erhebliche Verbesserungen gegenüber konventioneller Waldwirtschaft. Doch klar wird auch, für den Erhalt der Tropenwälder gibt es keine einfache alleinige Lösung. Unerlässlicher Bestandteil für den Schutz des Tropenwaldes wird die globale Zusammenarbeit von Umweltorganisationen, Wissenschaftlern und Politik sein, das bestätigen die Referenten im abschließenden Dialogforum der FSC-Digitalkonferenz. So blicken die Gäste der zweiten Podiumskonferenz zum Schluss optimistisch auf die Wälder des Kongobeckens in 50 Jahren.
Die insgesamt sehr lebhafte und authentische Diskussionsrunde „ermutigt einen, die Verbreitung der FSC-Botschaft an Verbraucher über die Bedeutung des FSC-Logos weiterzuführen“, sagte Dirk Riestenpatt zum Abschluss der Diskussion.

Rund 100 ausdauernde Zuschauer*innen folgten der zweiten Ausgabe der FSC-Digitalkonferenz. Die live ins Internet übertragene Diskussion kann auch jetzt noch auf dem YouTube-Kanal des FSC Deutschland oder über konferenz.fsc-deutschland.de angeschaut werden.

In der nächsten Ausgabe der Konferenzreihe am 11.02.2021 um 16 Uhr diskutieren wieder live FSC-Vertreter, Umweltschützer*innen und andere Experten*innen. Das Thema: FSC-Forstwirtschaft in Russland.