08.03.2023
Im Gespräch mit Frauen aus dem Forst
Zum Internationalen Weltfrauentag
Seit mehr als 100 Jahren steht der 8. März für den Kampf von Frauen für Gleichberechtigung. Auch abseits des Internationalen Frauentags unterstützt FSC die Frauen im Wald und hat in seinem Standard die Gleichstellung der Geschlechter fest verankert. Zertifizierte Betriebe müssen beispielsweise sicherstellen, dass Männer und Frauen bei gleicher Arbeit gleich bezahlt werden und, dass Elternzeit ohne Nachteile möglich ist.
Wir haben mit Frauen gesprochen, die sich bereits für eine Karriere im Forst entschieden haben:
Barbara Kneer ist Beauftragte für Chancengleichheit bei ForstBW. © ForstBW
Rebecca Arnrich studiert im ersten Mastersemester Forstwissenschaften an der Universität Freiburg. © privat
Antonia Hoß (hier mit ihrer Hündin Distel) studiert im dritten Mastersemester Forstwissenschaften an der Universität Freiburg. © privat
„Ich war überrascht, dass sich FSC um das Thema Chancengleichheit kümmert“ – Interview mit Barbara Kneer
Försterin Barbara Kneer ist seit Dezember 2020 Beauftragte für Chancengleichheit bei ForstBW − dem größten Forstbetrieb Baden-Württembergs, welcher mit 1800 Mitarbeitenden über 300.000 Hektar Staatswald bewirtschaftet und FSC-zertifiziert ist. Im Gespräch mit FSC Deutschland erzählt Barbara Kneer, warum es am Weltfrauentag besonders wichtig ist, auch dort hinzusehen, wo hauptsächlich Männer arbeiten.
Frau Kneer, warum braucht es eine Beauftragte für Chancengleichheit bei ForstBW?
Forst ist traditionell eine Männerdomäne − nicht nur bei uns im eigenen Betrieb, sondern auch in der gesellschaftlichen Wahrnehmung. Das hat bestimmte Auswirkungen, beispielsweise bei der Frage: Wer bewirbt sich auf Ausbildungsplätze? Indem ForstBW eine Beauftragte für Chancengleichheit beschäftigt, zeigen wir nach innen und außen, dass uns Themen der Chancengleichheit wichtig sind und wir uns darum kümmern wollen.
Sie teilen sich Ihre Stelle als Beauftragte für Chancengleichheit mit Linnea Heiderich. Was schätzen Sie daran?
Linnea Heiderich ist Revierleiterin auf der Ostalb, ich selbst habe über die Jahre viel funktionell gearbeitet – in der Waldpädagogik und in der Sachbearbeitung. Somit haben wir zwei verschiedene Blickwinkel auf die Themen. Gleichzeitig haben wir die Möglichkeit, offen miteinander über Inhalte zu sprechen. Wir unterliegen ja der Schweigepflicht und viele Dinge sind im Gespräch leichter zu entscheiden.
Welche Aspekte der Chancengleichheit beschäftigen Sie im Arbeitsalltag am meisten?
Ganz klar: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dies gilt für Anfragen von Beschäftigten genauso wie für die Neugestaltung des Regelwerks für unser noch junges Unternehmen. Hier gibt es keinen Unterschied zwischen Frauen und Männern.
Es suchen also keine Frauen bei Ihnen Rat, die Schwierigkeiten in dieser männerdominierten Arbeitswelt haben?
Dass Frauen mit Anliegen zu mir kommen, weil Sie aufgrund ihrer Geschlechtsmerkmale diskriminiert werden, passiert eher selten. Ich kenne Geschichten von früher – da sah dies ganz anders aus.
Was nehmen Sie aus Ihrer bisherigen Tätigkeit als Beauftragte für Chancengleichheit mit?
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist auch in der Forstwelt ein wichtiges Thema – obwohl es dort wenig Frauen gibt. Oder gerade deshalb. Wir müssen bei diesem Punkt über die Frauen hinausdenken. Wo Frauen arbeiten, achten wir ja schon besonders auf Chancengleichheit. Doch wir vergessen, dass es dort, wo nur Männer sind, genauso wichtig ist.
Wie meinen Sie das?
In dem Moment, wo es normaler wird, dass Männer sich an der Familienbetreuung oder der Pflege beteiligen und beteiligen können, entlastet es die Partnerinnen und ermöglicht diesen die frühere Rückkehr in den Beruf. Dies gelingt nur, wenn Frauen und Männer mit Familienzeiten dieselben Qualifizierungsmöglichkeiten haben wie Personen in Vollzeit.
Braucht es Ihrer Ansicht nach für Chancengleichheit Kampagnen, um mehr Frauen in den Wald zu bringen?
Das wäre schon wichtig. Noch immer werden viele forstliche Berufe als Männerberufe wahrgenommen, obwohl alle Aufgaben, auch die in den Revieren und die Leitungspositionen gleichwertig von Frauen ausgeübt werden können.
Einzig bei den Forstwirtinnen und Forstwirten werden wohl noch lange überwiegend Männer arbeiten. Obwohl es auch Aufgaben im Bereich der Bildung gibt, ist doch der überwiegende Teil eine körperlich sehr schwere Tätigkeit. Nur wenige Frauen haben den Wunsch, dies dauerhaft zu machen.
Wie verbessert ForstBW die Chancengleichheit im Betrieb?
Da, wo es möglich ist, bieten wir familienfreundliche Arbeitsmodelle an, wie Teilzeit oder mobiles Arbeiten. Auch im Bereich der Aus- und Fortbildung berücksichtigen wir mehr und mehr die Rahmenbedingungen, die durch Kinder oder die Pflege entstehen. So kann inzwischen die Ausbildung zur Forstwirtin oder zum Forstwirt oder die Traineezeit in Teilzeit gemacht werden. Auch in unserem Fortbildungsangebot gibt es immer mehr Veranstaltungen, die online und halbtags angeboten werden.
Welche Rolle spielt FSC bei Fragen der Gleichstellung?
Vergangenes Jahr hat mir der Prüfer während eines Audits verschiedene Fragen zum Thema Chancengleichheit bei ForstBW gestellt. Wie ein Stellenbesetzungsverfahren abläuft, welche Chancen Frauen bei uns haben oder wie sich Mitarbeitende in Gremien beteiligen können. Es war ein gutes Gespräch. Aber ehrlich gesagt war ich überrascht, dass sich FSC auch um das Thema Chancengleichheit kümmert.
Was sollte FSC verbessern, um in Forstbetrieben bessere Arbeitsbedingungen für Frauen herzustellen?
FSC sollte prominenter machen, dass es bei einer Zertifizierung nicht nur um die Standards im Wald geht, sondern auch um vermeintlich weichere Themen, wie Gleichberechtigung. Dadurch unterstützt FSC die Interessen der Frauen und der Familien.
Wann ist der Tag gekommen, an dem Sie Ihr Büro ruhigen Gewissens räumen können?
Zunächst einmal ist jetzt bereits vieles gut. Aber ich glaube, dass wir erst dann aufhören können, einen Schwerpunkt auf Chancengleichheit zu legen, wenn es tatsächlich keine Unterschiede mehr gibt. Im Moment sind in den Köpfen noch so viele Barrieren – ob bewusst oder unbewusst. Immer noch sind wir als Gesellschaft leider zu sehr davon überzeugt, dass Frauen, aber auch Männer, die sich Zeit für die Familie nehmen, für ihre Betriebe weniger Wert haben als Vollzeitkräfte. Noch extremer ist dies im Bereich der Führung. Und dies, obwohl andere Länder schon längst das Gegenteil bewiesen haben. Von daher dauert das Umdenken noch. Bis zu meiner Rente würde mich der Job sicherlich ausfüllen.
„Im Forstbereich arbeiten ganz viel tolle, bodenständige und spannende Menschen“ – Interview mit Rebecca Arnrich
Rebecca Arnrich (24) studiert im ersten Mastersemester Forstwissenschaften an der Universität Freiburg. Im Interview erzählt sie, warum es manchmal viel Energie, Feingefühl und Ausdauer in ihrem Job braucht.
Frau Arnrich, was hat Sie dazu bewogen, Forstwissenschaften zu studieren?
Ich hatte eigentlich mal das Ziel, Tiermedizin zu studieren. Bei einem Praktikum habe ich dann aber gemerkt, dass dieser Beruf kaum mit einem Privatleben und meinem Wunsch, viel draußen zu sein, vereinbar ist. Deswegen habe ich mich nochmal umgeschaut und mich für ein Praktikum in der Dresdner Heide im Sachsenforst beworben. Das hat mir super gefallen. Für mein Bachelorstudium Forstwirtschaft war ich dann im kleinen, familiären Eberswalde – da bin ich total glücklich geworden.
Was bedeutet der Wald für Sie persönlich?
Ich bin am Stadtrand groß geworden, der Wald war für mich immer ein Zufluchtsort, wenn ich einfach mal raus wollte, weg von dem Getümmel. Er ist der ideale Ort zum Herunterfahren von der ganzen Hektik, und man entdeckt immer wieder Neues. Er ist einfach der schönste Arbeitsplatz, man kann sich da einfach nur wohlfühlen.
Welchen beruflichen Werdegang möchten Sie nach Ihrem Studium verfolgen?
Aktuell habe ich noch keinen konkreten Plan, wie es nach dem Studium weiter geht. Ich könnte mir gut vorstellen, ein Referendariat zu machen. Langfristig käme auch Revierleitung oder Forstamtsleitung in Frage. Aber letzteres ist erst eine Option, wenn ich weiß, wo ich sesshaft werde.
Welche Ihrer Stärken helfen ihnen besonders gut im Berufsleben?
Ich würde mich als kommunikativ und offen beschreiben. Diese Eigenschaften werden im Forst immer wichtiger, um die vielen Meinungen und Interessen zusammenzubringen – gerade bei dem Konflikt zwischen Jung und Alt, der immer präsenter wird durch den Generationswechsel im Forst.
Die junge Generation hat ganz viel Elan und neuen Ideen, beispielsweise im technischen Bereich. Für klassisch orientierte Förster ist das sehr viel Neues, dem manchmal auch mit Unmut begegnet wird. Auch unserer Gesellschaft hat immer vielfältigere und anspruchsvollere Erwartungen an den Wald. Hier braucht es ebenfalls viel Geduld, gute Kommunikation und die Bereitschaft, Kompromisse zu schließen.
Es studieren immer mehr Frauen Forst- und Waldwissenschaften. Im Bereich der Forstwirte tut sich dagegen nicht sehr viel – woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Die Welt der Forstwirte und Forstwirtinnen ist sehr männerdominiert und ich kann mir vorstellen, dass dieses Arbeitsumfeld für einige Frauen abschreckend wirkt. Ich hatte zwei, drei Erfahrungen im Praktikum, wo ich schon dachte: Ich muss mehr strampeln als ein Mann, ich werde weniger beachtet als ein Mann, ich werde weniger ernst genommen. Wenn man mit solchen Situationen nicht so gut umgehen kann oder das sehr persönlich nimmt, dann kann es manchmal etwas frustrierend sein.
Auch als studierte Frau kann es unter den Arbeitern, die sehr viel praktische Erfahrungen in der Waldarbeit haben, ein schwerer Start sein. Da braucht es viel Energie, Feingefühl und Ausdauer, um zusammen zu finden.
Welche Herausforderungen erwarten den Forst in den nächsten Jahren? Welche Rolle spielen Frauen dabei?
Es wird immer wichtiger, das Bild der traditionellen Forstwirtschaft aufzubrechen. Wir müssen zeigen, dass Forstwirtschaft nicht nur Holzeinschlag und Jagd bedeuten, sondern auch viele weitere Facetten beinhaltet. Insbesondere das Bild „Naturschutz versus Waldnutzung“ muss revidiert werden. Naturschutz und Forstwirtschaft sollten nicht getrennt voneinander betrachtet werden, sondern ineinander greifen. Selbstverständlich bemühen wir uns um Naturschutz und verbinden diesen mit der Bewirtschaftung des Waldes. Das kommt aber in der gesellschaftlichen Wahrnehmung nicht immer an. Hier sehe ich die Chance für Frauen, in die vermittelnde Rolle zu schlüpfen. Sie sind tendenziell feinfühliger und kommunikativer.
Welchen Rat würden Sie jungen Frauen geben, die in Betracht ziehen, Wald- oder Forstwissenschaften zu studieren?
Ich würde das Studium jedem ans Herz legen, der eine Verbindung zur Natur hat oder Lust hat, aktiv den Wald mitzugestalten. Ich finde, das Studium ist absolut vielseitig – man hat nicht nur Wirtschaft, sondern unter anderem auch Waldpädagogik, Botanik, Forstrecht, Wildbiologie, Holzlogistik und Bodenkunde. Dementsprechend facettenreich sind auch die Einsatzmöglichkeiten später im Beruf.
Nicht zu vernachlässigen ist: Im Forstbereich arbeiten ganz viel tolle, bodenständige und spannende Menschen. Man kennt sich, denn die Forstwelt ist klein und familiär. Es ist einfach ein angenehmes Umfeld.
„Wir müssen uns Unübliches trauen und dürfen nicht davor zurückschrecken, neue Wege zu gehen“ – Interview mit Antonia Hoß
Antonia Hoß (24) studiert im dritten Mastersemester Forstwissenschaften an der Universität Freiburg. Mit FSC Deutschland spricht Frau Hoß unter anderem über ihre beruflichen Zukunftspläne und über die Herausforderungen, mit denen Forstwissenschaftler:innen in den kommenden Jahren konfrontiert sind.
Frau Hoß, was fasziniert Sie am Wald besonders?
Zu Beginn des Bachelor-Studiums sollten wir ein Herbarium anlegen, also habe ich Blätter von Bäumen, Kräuter, Gräser und Farne gesammelt und bestimmt. Seitdem gucke ich ständig auf den Waldboden und finde es toll, die vielen Pflanzenarten zu entdecken und durch das, was da wächst, auch etwas über den Standort sagen zu können – das ist sehr faszinierend.
Welchen beruflichen Werdegang möchten Sie nach Ihrem Studium einschlagen?
Ich komme aus Hessen und bin sehr heimatverbunden – da würde ich auch ganz gerne wieder landen. Zunächst möchte ich auf jeden Fall mein Referendariat beim Land absolvieren. Das schließt mit einem Staatsexamen ab. In diesen zwei Jahren hat man die Möglichkeit, noch viel Praxiserfahrung zu sammeln. Grundsätzlich bin ich auf alles gefasst und für alles bereit, was da so kommt.
Welche Ihrer Fähigkeiten helfen Ihnen besonders gut im Berufsleben?
Identifikationsvermögen. Forst zieht sich durch alle Lebensbereiche, das ist Hobby, das ist Arbeit, das ist Erholung. Ich glaube, das Berufsleben im Forst hält man nur durch, wenn man wirklich von dem großen Ganzen überzeugt ist – von dem Rohstoff-Aspekt genauso wie von der Funktion für die Gesellschaft.
Es studieren immer mehr Frauen Forst- und Waldwissenschaften. Im Bereich der Forstwirt:innen tut sich dagegen nicht sehr viel. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Man kann nicht abstreiten, dass es Unterschiede bei der körperlichen Belastbarkeit von Mann und Frau gibt. Ich habe während eines Praktikums mit Forstwirten gearbeitet – das ist wirklich richtig harte Arbeit. Davor habe ich meinen allergrößten Respekt. Das sehen vermutlich viele Frauen so und denken gar nicht erst darüber nach, einen körperlich so anspruchsvollen Beruf auszuüben. Fakt ist aber, dass das ergonomische Arbeiten sehr großgeschrieben und durch den technischen Fortschritt begünstigt wird. Ich denke, dass körperliche Grenzen im Team überwunden werden können und hier schlicht das Klischee, dass es sich um einen reinen Männerjob handelt, abgelegt werden muss.
Wie würde ein Wald aussehen, der über Generationen hinweg von Frauen bewirtschaftet worden wäre?
Eine ausführliche Antwort auf diese Frage wäre wahrscheinlich seitenfüllend. In Kurzform: Ich glaube nicht, dass ein frauengemachter Wald grundlegend anders aussähe. Wenn ich an die Geschichte des Waldes hier in Deutschland denke, denke ich beispielsweise daran, dass Fichtenreinbestände aus einer gesellschaftlichen Not heraus entstanden sind. Vermutlich hätte für Frauen der Fokus auch darauf gelegen, möglichst schnell an Holz zu kommen.
Welche Entwicklungen erwarten Sie in den nächsten Jahren in den Forst- und Waldwissenschaften?
In Anbetracht des Klimawandels kann man nicht mehr Schule nach Lehrbuch machen. Wir müssen uns Unübliches trauen und dürfen nicht davor zurückschrecken, neue Wege zu gehen. Aber auch in der Digitalisierung sehe ich eine sehr große Herausforderung: In einem Forstbetrieb sitzen hauptsächlich Förster, da hat man wenig Arbeitsexperten aus anderen Themenfeldern – die aber gebraucht werden. Beispielsweise Experten für die Erfassung und Verarbeitung von Geodaten. Grundsätzlich denke ich nicht, dass Förster das Thema Digitalisierung alleine stemmen können. Aber das ist ja auch gar nicht ihre Aufgabe, da müssen einfach Kompetenzen abgegeben werden.
Welchen Rat würden Sie jungen Frauen geben, die überlegen, Forstwissenschaften zu studieren?
Machen, auf jeden Fall machen! Es macht unglaublich glücklich.