Autor: FSC Deutschland | 06.04.2022

FSC-Kernarbeitsnormen: FSC-Produkte sichern elementare Rechte von Arbeitnehmer:innen über gesamte Lieferkette

Anfang September 2021 trat die Version 3-1 des FSC-Produktkettenstandards in Kraft, damit sind Anforderungen zu Kernarbeitsnormen fester Bestandteil der FSC-Produktkettenzertifizierung. Indikatoren garantieren Überprüfbarkeit. Gewerkschaften begrüßen Ausweitung von FSC-Kontrollen in Verarbeitungsbetrieben, im Sinne sozialer Lieferketten. Bis 31.12.2022 müssen alle FSC-Zertifikatsinhaber:innen nach der neuen Version auditiert sein.

Im Rahmen der Version 3-1 des FSC-Produktkettenstandards FSC-STD-40-004 werden Unterneh-men mit FSC-Zertifikat künftig auch auf die Einhaltung von FSC-Kernarbeitsnormen geprüft. Dafür müssen die Betriebe u.a. nachweisen, dass sie folgende Anforderungen erfüllen:

  • Keine Kinderarbeit
  • Beseitigung aller Formen von Zwangs- oder Pflichtarbeit
  • Beseitigung von Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf
  • Wahrung der Vereinigungsfreiheit (z.B. als Gewerkschaften)
  • Wirksame Anerkennung des Rechts auf Tarifverhandlungen

Verbindlich: Soziale Grundwerte in der Betriebsprüfung
Der weitreichende Schutz der Arbeitnehmerrechte war schon immer Teil der FSC-Grundsätze und für zertifizierte Waldbesitzende bereits seit Gründung des FSC verbindlich. Abgeleitet von den Kernkonventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO, englisch: ILO) wurden nun die neuen FSC-Kernarbeitsnormen auch in den FSC-Standard für die Produktkette aufgenommen. Seit dem 1.9.2021 können sich Unternehmen nach der neuen Version auditieren lassen. FSC benennt nicht nur die Kernarbeitsnormen. Unternehmen müssen auch eine auditierbare Selbstbeurteilung vorlegen und darüber hinaus eine Grundsatzerklärung, die betroffenen Kreisen wie u.a. Gewerkschaften und Betriebsräten bekanntgegeben werden muss (Details s. Folgeseite). Die Einhaltung der Anforderungen betrifft sowohl Arbeitnehmende von Dienstleistern an Standorten des Zertifikatsinhabers als auch ausgelagerte Arbeiten an zertifizierten Materialien, etwa bei Lohnfertigung. Als erstes Waldzertifizierungssystem benennt FSC damit nicht nur Kernarbeitsnormen ganz allgemein, sondern verlangt konkrete Verfahren, die die Einhaltung sicherstellen. Mit den neuen Anforderungen soll erreicht werden, dass die Rechte von Arbeitnehmenden in FSC-zertifizierten Produktionsprozessen von Betrieben respektiert werden. Zu den Vorteilen des neuen Standards zählt, dass er Beschaffungsrisiken im Zusammenhang mit wichtigen Arbeitsbedingungen beseitigt. Un-ternehmen können nun Anforderungen von Kunden erfüllen, wenn es darum geht zu belegen, dass in Herkunftsregionen die Rechte von Arbeitnehmenden eingehalten und überprüft wurden. Ergänzend zu neuen Lieferkettengesetzen in einigen Ländern, welche soziale Mindeststandards in der Fertigung fordern, macht die FSC-Zertifizierung nun weltweit als freiwilliges Zertifizierungssystem soziale Grundwerte zum verbindlichen Teil jeder Betriebsprüfung.

IG-Metall: Forderungen in Ansätzen erfüllt
Damit kommt FSC langjährigen internen aber auch externen Forderungen, unter anderem durch Gewerkschaften, nach. Frau Brigitte Döth, Tarif- und Branchenkoordinatorin für den Bereich Holz und Kunststoff in der IG Metall, sieht die Anforderungen zumindest in Ansätzen erfüllt und begrüßt dies. Gleichzeitig gibt sie zu bedenken, dass der Weg noch lang sein wird, bis die Normen auch überall eingehalten werden. Sie betont: „Aus unserem Verständnis heraus sind nur die absoluten Mindestbedingungen geregelt, die selbstverständlich sein sollten.“

Hintergrund: Einführung der Kernarbeitsnormen in der FSC-Produktkette
Bereits im Jahr 2012 fand die Konformität mit Kernarbeitsnormen erstmals Eingang in die Anforde-rungen des FSC. Seitdem müssen FSC-zertifizierte Organisationen dem FSC gegenüber erklären, dass sie weder direkt, noch indirekt in Verstöße gegen irgendeine der ILO Grundprinzipien, die in der ILO Erklärung über die grundlegenden Rechte bei der Arbeit aus dem Jahr 1998 definiert sind, verstoßen. Andernfalls droht eine Aufkündigung des Vertragsverhältnisses seitens FSC. Diese Situation ist in der Vergangenheit auch häufiger eingetreten, wie auf der Website des FSC nachzulesen ist: https://fsc.org/en/unacceptable-activities/cases. Über die Erklärung hinaus lagen dazu jedoch keine konkreten Prüfindikatoren für die jährlichen Vor-Ort-Kontrollen im Rahmen der FSC-Zertifizierung vor. In den USA kam es darüber hinaus zu Rechtskonflikten bei der Unterzeichnung der Selbstverpflichtung in der damaligen Formulierung, denn die USA haben die ILO-Kernkonventionen nicht ratifiziert. 2014 beschloss der Vorstand von FSC International daraufhin die Gründung einer Arbeitsgruppe, die sich mit der Entwicklung von systemübergreifenden Lösungsansätzen befassen sollte, die die weltweite Einhaltung von ILO-Kernkonventionen durch alle FSC-Zertifikatsinhaber:innen garantieren. 2018 wurde eine weitere technische Arbeitsgruppe für die Formulierung realisierbarer Anforderungen für die Produktkettenzertifizierung gegründet. Durch einen öffentlichen Bewerbungsaufruf und öffentliche Konsultationsrunden wurde die Einbindung von interessierten sowie betroffenen Stakeholdern sichergestellt. Im Januar 2021 schließlich wurde die erarbeitete Version 3-1 des Produktkettenstandards genehmigt. Alle Audits nach dem 1.1.2023 müssen nach der neuen Standardversion V3-1 durchgeführt werden. Bereits im Laufe des Jahres 2022 werden alle FSC-COC-Zertifikatsinhaber:innen ein Audit nach V3-1 durchlaufen. Zertifikate, die nicht nach dieser Version auditiert wurden, verlieren automatisch zum 30.6.2023 ihre Gültigkeit.

Indikatoren garantieren verbesserten Arbeitsschutz
Folgende Schritte sind für die neuen Anforderungen des Standards verpflichtend:
Um die Konformität zu gewährleisten, müssen Organisationen eine Grundsatzerklärung verab-schieden, in der sich das Unternehmen zur Einhaltung der FSC-Kernarbeitsnormen verpflichtet. Die Grundsatzerklärung, die den betroffenen Interessensgruppen – also auch Arbeitnehmenden – zugänglich gemacht werden muss, stellt eine Willenserklärung der Organisationen dar, die FSC-Kernarbeitsnormen einzuhalten. Die Kernarbeitsnormen werden somit auch einforderbar.
Weiterhin muss eine Selbstbeurteilung stattfinden, in der die Organisationen ihre Übereinstim-mung mit den FSC-Kernarbeitsnormen überprüft und belegt. Die Selbstbeurteilung kann als eine Art Frühwarnsystem verstanden werden. Mögliche Probleme oder Verstöße können in diesem Schritt identifiziert und weiter untersucht werden.
Die Selbstbeurteilung ist bei einem Audit durch die zuständige Zertifizierungsstelle die Grundlage zur Feststellung, dass die Kernarbeitsnormen eingehalten werden. Damit wird die Einhaltung „audi-tierbar“, denn Auditor:innen haben über die Selbstbeurteilung eine detaillierte Prüfungsgrundlage und Unternehmen können Unwissenheit nicht als Grund für Verstöße vorschieben. Auch kann so anlassbezogenen Verdachtsfällen nachgegangen und gegebenenfalls konkrete Gegenmaßnahmen effizienter gestaltet werden.

Warum ist der neue Standard so wichtig? Achtung von Menschenrechten weltweit
Eine Welt, die immer vernetzter wird, bringt zwar viele Vorteile mit sich, stellt Unternehmen, Ar-beitnehmende und ihre Vertreter:innen sowie politische Akteure aber auch vor ständig wachsende menschenrechtliche Herausforderungen. Das von der Bundesregierung im Juni 2021 auf den Weg gebrachte deutsche Lieferkettengesetz ist ein wichtiger Schritt im Umgang damit: Es verpflichtet deutsche Unternehmen ab einer bestimmten Größe, Kernelementen der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht in all ihren Tätigkeiten besser nachzukommen. Durch die Globalisierung immer komplexer werdende internationale Lieferketten machen derartige staatliche Regulierungen im-mer wichtiger. Kaum noch ein Unternehmen kommt nicht irgendwann an den Punkt, an dem die Produkt- und Lieferkette über die Landesgrenzen hinauswächst. Zertifizierte Lieferketten leisten somit einen wichtigen Beitrag zur menschenrechtlichen Sorgfalt. Sie sorgen grenzüberschreitend für mehr Achtung von Menschenrechten. Mit Version 3-1 des Produktkettenstandards macht FSC einen wichtigen Schritt in diese Richtung, indem es die Einhaltung von Kernarbeitsnormen nicht nur fordert, sondern auch zu einem überprüfbaren Kriterium der Produktketten-Zertifizierung macht.

Ausblick – Der Fortschritt ist ein erster Anfang
Kim Carstensen, FSC-Generaldirektor, lobt die Einführung der Kernarbeitsnormen: „Die FSC-Kernarbeitsnormen sind ein großer Fortschritt für die Arbeitnehmer:innen in über 130 Ländern der Welt. Aber auch für die Unternehmen, die nun ihr Engagement für die Achtung der Arbeitnehmerrechte nachweisen können.“ Dr. Uwe Sayer, Geschäftsführer bei FSC Deutschland, bezeichnet die Einführung der Kernarbeitsnormen in den Produkt-Zertifizierungsstandard als „Meilenstein im Schutz der Arbeitnehmerrechte und bei den sozialen Voraussetzungen für eine Zertifizierung in der Produktkette.“
Die IG Metall begrüßt den Fortschritt in Form der FSC Kernarbeitsnormen zwar, die Gewerkschaft benennt aber auch weitere Themenfelder, die es in Zukunft anzugehen gilt, wie Frau Brigitte Döth erläutert: „Es ist nicht ausreichend, die Normen festzuschreiben, es müssen auch ganz klar Konsequenzen folgen, wenn sie nicht eingehalten werden. Darüber hinaus müssen die Normen noch erheblich weiterentwickelt werden, bis sie unseren Standards entsprechen. Da sind zum einen die großen Lücken im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Hiermit wird es den einzelnen Staaten überlassen, diese zu definieren. Darüber muss auf internationaler Ebene ein Konsens hergestellt werden, es geht nicht, dass gute Standards darüber verwässert werden können. Auch das Recht der Arbeitnehmer:innen, sich für die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen einzusetzen und zu kämpfen, ist nicht wirklich geklärt. Der Fortschritt ist ein erster Anfang aber der Weg ist noch sehr weit.“

WEITERE INFORMATIONEN

FSC Kernarbeitsnormen – Umsetzungshilfe für Unternehmen in Deutschland
FSC Deutschland unterstützt Unternehmen in Deutschland und Österreich mit unterschiedlichen Arbeitsdokumenten und Angeboten:

  • FSC-Kernarbeitsnormen: Fragen und Antworten. Ein Dokument, das alle Fragen und Antworten aus Anfragen und Webinaren zum Thema FSC-Kernarbeitsnormen zusam-menfasst
  • Hilfen und Vorlagen für Deutschland und für Österreich zur Einführung der FSC-Kernarbeitsnormen nach dem FSC®-Produktkettenstandard
  • Freiwillige Selbstverpflichtung zur Einhaltung der FSC-Kernarbeitsnormen für Dienstleis-ter, die an Standorten von Zertifikatsinhabern tätig sind. Diese Vorlage kann optional von Zertifikatsinhabern verwendet werden, um sicherzustellen, dass im Rahmen der Selbst-beurteilung zur Einhaltung der FSC-Kernarbeitsnormen auch Dienstleister mit Personal am Standort des Zertifikatsinhabers die Einhaltung beachten.
  • Online-Trainings und Seminare für zertifizierte Unternehmen

Alle Dokumente sind auf der Internetseite von FSC Deutschland abrufbar

FSC International stellt verfügbare Hilfen zu anderen Ländern zur Verfügung

Arbeitnehmerrechte und Arbeitsbedingungen in der Wald-Zertifizierung
Auch im Standard für die FSC-Waldzertifizierung spielen Arbeiter:innenrechte eine entscheiden-de Rolle. Der Schutz der Wälder durch nachhaltige Bewirtschaftung ist seit Gründung von FSC vor über 25 Jahren Kernangelegenheit und der Schutz der Arbeiterrechte im Wald bereits seit Anbe-ginn obligatorisch. Wald soll nicht nur als Ökosystem bewahrt und dabei eine langfristige Nutzung von Holz garantiert werden, sondern Arbeiten im Wald sollen auch sicher und fair durchgeführt werden. Verankert ist dies im FSC Wald-Standard 3-0. Prinzip 2: „Der Forstbetrieb erhält oder verbessert die soziale und wirtschaftliche Situation aller im Forstbetrieb Beschäftigen“. Er regelt in Deutschland mit 6 Kriterien und insgesamt 36 Indikatoren die Einhaltung der Arbeitnehmerrech-te und Arbeitsbedingungen. Diese Regelungen erscheinen umso besonderer mit Blick über Deutschland hinaus. Auch in Ländern der südlichen Halbkugel gilt der FSC-Standard und es muss Arbeitenden in FSC-zertifizierten Betrieben sicheres Arbeitsmaterial und Schutzkleidung zur Ver-fügung gestellt und finanzieller Ausgleich bei arbeitsbedingter Krankheit gezahlt werden – um nur einige Beispiele zu nennen.

Der Waldstandard sowie die Prinzipien sind inklusive deutscher Übersetzung abrufbar auf der Internetseite von FSC Deutschland unter: https://www.fsc-deutschland.de/de-de/wald/waldstan […]