11.05.2022

Wissenschaftliche Perspektiven auf die Zukunft des Waldes

Im Rahmen des FSC-Forums „Zuerst der gesunde Wald“ am 11. Mai im Willy Brandt-Haus in Berlin erörterten Prof. Jürgen Bauhus, Professor für Waldbau an der Universität Freiburg, und Prof. Erwin Hussendörfer von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf aus Sicht der Wissenschaft, wo wir mit dem Wald inDeutschland derzeit stehen.

In seinem Vortrag sagte Jürgen Bauhus mit Bezug auf die Veränderungen im Zuge des Klimawandels: „Das, was wir jetzt als extrem wahrnehmen, wird das Normal der Zukunft werden“. Biotische und abiotische Störungen werden zunehmen und sich gegenseitig verstärken. Daher müssten zukünftig laufend neue Anpassungsoptionen entwickelt werden, um nachhaltig anpassungsfähige Wälder zu erhalten. Es gäbe eine Vielzahl an Möglichkeiten, unsere Wälder resilienter und resistenter zu gestalten. Mit Bezug auf waldbauliche Anpassungsmöglichkeiten stellte Prof. Bauhus aktuelle Erkenntnisse zu Mischbeständen, Durchforstungskonzepten und Alternativbaumarten vor. Auch Forstbetriebe müssen sich strukturell anpassen und neue Geschäftsmodelle entwickeln, um zukünftige gesellschaftliche Anforderungen auf der Grundlage der Ökosystemkapazitäten zu erfüllen. Als zweiter Referent des Themenblocks stellte Prof. Erwin Hussendörfer waldbauliche Erkenntnisse aus dem Monitoring eines Urwalds in der Ukraine vor. Aktuelle Forschungsergebnisse unterstreichen dabei die Relevanz von Totholz, alten Baumindividuen, Altersklassenheterogenität und der Symbiose zwischen Bäumen und Pilzen des Waldbodens. Er appellierte, deutschlandweit den Flächenanteil der aus der Nutzung genommenen Bestände zu erhöhen. Seine Empfehlung: Der Indikator 10.0 des Deutschen FSC-Standards, der vorgibt, dass sich waldbauliche Strategien an der Baumartenzusammensetzung, Dynamik und Struktur der natürlichen Waldgesellschaft orientieren müssen und zum Ziel haben, standortgerechte, naturnahe Waldbestände zu erhalten und zu entwickeln.

Im Anschluss stellten sich die beiden Referenten im Rahmen einer Podiumsdiskussion den Fragen von Antonia Messerschmitt, die als Forststudentin und Klima-Aktivistin die Perspektive von Fridays for Future München einbrachte. Dabei wurde auch die Rolle des Privatwaldes hervorgehoben, für den man neue Anreize zur Anpassung schaffen müsse. Vor allem im Bereich der Holzbauoffensiven gäbe es noch Luft nach oben. „Eine großflächige Übernutzung des Waldes gibt es in Deutschland nicht- dazu gibt es genug Checks und Balances“, argumentierte Jürgen Bauhus. Erwin Hussendörfer ergänzte, dass das Prinzip der Kreislaufwirtschaft ein wichtiger Ansatzpunkt sei, um Druck aus dem Wald zu nehmen. Auch die Befahrung auf aktuell 20 % der Waldfläche in Deutschland sehe er kritisch. Demgegenüber stellte er den Anteil von 3 % unbewirtschafteter Naturwaldentwicklungsfläche in Deutschland und appellierte, diesen auf 10 % zu erhöhen, wie es in FSC-zertifizierten Wäldern bereits Standard ist. Jürgen Bauhus hob auch in der Podiumsdiskussion noch einmal die Notwendigkeit von Durchforstungsmaßnahmen hervor, um die zukünftige Waldentwicklung steuern zu können. Wärme- und lichtliebende Baumarten gelten als Hoffnungsträger für den Wald der Zukunft, seien aber im Verjüngungsstadium ohne Pflegemaßnahmen nicht konkurrenzfähig. Erwin Hussendörfer ergänzte, dass man die Konkurrenz- und Schattentoleranz dieser Arten nicht unterschätzen dürfe.

Auch der Saal beteiligte sich mit Anfragen an der Podiumsdiskussion. Elmar Stertenbrink, Vorstand der Sozialkammer bei FSC Deutschland, mahnte, den Generationenvertrag ernst zu nehmen und auch eigene Fehler einzugestehen. Die Klimaveränderungen im Wald werden neben den ökologischen Veränderungen auch Auswirkungen auf Arbeitsplätze haben. Dietrich Mehl von der Landeswaldoberförsterei Reiersdorf in Brandenburg hob die Rolle der Jagd auf die Waldgesundheit hervor und appellierte an die Regierung, einen Paradigmenwechsel in der jagdlichen Gesetzgebung voranzubringen.

Abschließend machte Jürgen Bauhus deutlich, welche Empfehlungen sich für den FSC in Deutschland und dessen Weiterentwicklung ergeben: Evidenzbasierte wissenschaftliche Erkenntnisse müssten sowohl in der Gesellschaft als auch in der Forstpraxis wieder vermehrt Einzug finden.

Autor: FSC Deutschland