Immer wichtiger: Waldbrandübungen © Landeswaldverband Baden-Württemberg
Waldbrandgefahr
FSC-Vorstandsmitglied Dietmar Hellmann im Interview
Wie ist die Waldbrandlage in Baden-Württemberg aktuell und wie im Vergleich der letzten Jahre?
Der Waldbrandgefahrenindex mit den Stufen eins bis fünf variiert oft täglich und unterscheidet sich von Region zu Region. In den letzten Wochen lagen viele Regionen zwischen den Stufen 3 und 5, also in höchster Alarmbereitschaft. Durch die aktuellen Niederschläge ist diese wieder etwas gesunken. Generell hat sich die Situation seit 2010 deutlich verschärft und die Waldbrandgefahr in Baden-Württemberg mindestens vervierfacht, Tendenz steigend.
Hatten die Regenfälle der letzten Tage einen nennenswerten Einfluss auf die Waldbrandgefahr?
Im Gegensatz zu den Gewitterregen Anfang Juli, die meist nur das Gras offener Flächen befeuchten, aber selten durch die Kronen der Bäume bis auf den Waldboden gelangen, haben die Niederschläge der letzten Tage die Waldbrandgefahr durchaus etwas gemildert. Das kann sich aber auch schnell wieder ändern. Generell ist die Waldbrandgefahr aktuell immens hoch, wie uns ein Blick nach Griechenland oder Kanada zeigt. Weltweit ist die häufigste Ursache für Waldbrand übrigens menschliches Fehlverhalten durch Grill- oder Lagerfeuer oder einfach nur unachtsam weggeworfene Kippen. Vor kurzem sind bei uns in der Region z.B. 15 Autos abgebrannt, weil ihre Katalysatoren das trockene Gras auf einer Wiese auf der sie standen, in Brand gesetzt haben.
Biotop- und Totholzstrategien spielen im FSC-Standard eine große Rolle. FSC wird immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, dass genau dieses Tot- und Biotopholz die Waldbrandgefahr begünstigt. Was sagen Sie dazu?
Eine allgemeingültige Antwort gibt es hier nicht, das muss man differenziert sehen. Natürlich erhöht Totholz in trockenen Sommern grundsätzlich die Brandlast. Es gibt aber auch Untersuchungen, die belegen, dass die Feuergeschwindigkeit sich mit oder ohne Totholz nicht voneinander unterscheidet. Letztlich ist die natürliche Beschaffenheit der Waldregion entscheidend. In Baden-Württemberg z.B. haben wir zwischen Karlsruhe und Mannheim Waldvorkommen auf Dünensanden. Hinzu kommen viele abgestorbene Kiefern. Da spielt Totholz als Gefahrenpotenzial in trockenen und heißen Sommern durchaus eine Rolle. Dennoch muss man abwägen wo man es beseitigt – zum Beispiel in der Nähe von waldrandnahen Bebauungen -, denn Biotop- und Totholz spielt eine enorm große Rolle für die Biodiversität und natürliche Vielfalt im Wald, die es zu schützen gilt. Auch die Dimension des Totholzes, also der Durchmesser spielt eine Rolle. Dünne Äste und Kronen trocknen schneller als tote dicke, alte Bäume.
Waldbrandgefahr ist nur eines der Themen in Zeiten immer heißer und trockener werdender Sommer. Wie trägt der deutsche FSC-Standard dazu bei, einen klimaresilienten Wald aufzubauen?
Schlüssel ist hier ganz klar der Aufbau naturnaher Mischbestände. Hinzu kommen die Vorgaben, die dazu führen, dass z.B. Wasser im Wald bleibt und nicht abgeleitet wird. Letztlich geht es um das gesamte Waldbauverständnis. Da muss jeder ran, auch jene, die nicht FSC-zertifiziert sind. Das Anlegen kleinerer Wasserentnahmestellen, also Löschteiche, im Wald kann eine Maßnahme zur Selbsthilfe sein.
Waldbrand war früher nur ein marginales bis kein Thema. Kann man mit den letzten trockenen Sommern ein Paradigmenwechsel erkennen?
Das Thema ist definitiv angekommen. Baden-Württemberg hat Waldbrandgefahr an oberster Stelle platziert und die Geschäftsstelle Plattform Waldbrand eingerichtet. Sie unterstützt als Teil der Waldstrategie die Akteure im Land beim Aufbau eines modernen Waldbrandmanagements. In der Modellregion Hardtwald wurde außerdem die Zusammenarbeit von Forstleuten mit der Feuerwehr in der Prävention und der Waldbrandbekämpfung im Sinne von Tandems weiterentwickelt und wird nun in den unteren Forstbehörden landesweit etabliert. Auch gemeinsame Waldbrand-Übungen von Feuerwehr und Forstbehörden werden mittlerweile häufiger. Nicht zu vergessen das Pilotprojekt im Rhein-Neckar-Kreis, der die Technologie LoRaWAN (Long Range Wide Area Network) für die Waldbrandfrüherkennung testet. Der Paradigmenwechsel hat also ganz klar stattgefunden, natürlich nicht nur in Baden-Württemberg, sondern deutschlandweit.
Herr Hellmann, Sie vertreten in Ihrer Funktion als Vorstand der FSC-Wirtschaftskammer die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer. Was sind deren Forderungen an FSC mit Blick auf das Thema Waldbrand und was gilt es aus Ihrer Sicht zu verbessern, wo sehen Sie die Herausforderungen?
Bisher wurde von Seiten der Waldbesitzenden nichts an mich herangetragen. Ich persönlich sehe die vorhin bereits angesprochene Notwendigkeit einer Differenzierung bzw. Erweiterung des FSC-Standards. Zum Beispiel ist eine Maßnahme, um Feuer im Wald an der Ausbreitung zu hindern, das Anlegen von baumfreien Waldbrandschutzstreifen, entweder als sogenannte grüne Bänder mit Kraut- und Strauchschicht, oder als bestockungsfreie Vollumbruchstreifen. Solche Maßnahmen können unter Umständen im Widerspruch zu Forderungen aus dem FSC-Standard führen (z.B. Kahlschlags- und Befahrungsverbot). Wie vorhin bereits erwähnt, müsste eine Differenzierung beim Thema Totholz möglich werden. In Brandlastgefahrenzonen in der Nähe von Siedlungen wäre es zum Beispiel optimal, wenn anhand von zu entwickelnden Indikatoren Ausnahmen möglich wären.
Wieviel Regen müsste (in Baden-Württemberg) fallen, um die Waldbrandgefahr aktuell nachhaltig zu senken?
Sehr, sehr viel, je nach Region. Vor allem auch, um die sehr angespannte Wasserversorgung der Bäume wieder zu stabilisieren.