28.09.2022

Amazonas: Situation der Regenwälder ist dramatisch

Interview von FSC Deutschland mit Daniela Vilela, geschäftsführende Direktorin von FSC Brasilien, anlässlich der FSC Forest Week 2022

Können Sie uns Zahlen über die Entwicklung der Abholzung im Amazonas-Gebiet der letzten Jahre nennen?
Laut Imazon, dem Institut für Mensch und Umwelt des Amazonas, erreichte die abgeholzte Waldfläche im Amazonasgebiet 2022 den höchsten Stand seit 15 Jahren. Von August 2021 bis Juli 2022 wurden 10.781 km² Wald abgeholzt, das entspricht der siebenfachen Größe der Stadt São Paulo oder der zwölffachen Berlins.

Wie schätzen Sie die Situation bezüglich der Abholzung des Amazonas-Regenwalds ein – in Brasilien aber auch darüber hinaus?
Wälder erhalten immer noch nicht die Aufmerksamkeit, die sie eigentlich verdienen. Deshalb ist die Situation auch nicht gut. Dennoch haben wir interessanterweise im ganzen Land, nicht nur in den Bundesstaaten im Amazonasbecken, viele erfolgreiche Initiativen, die sich für eine verantwortungsvolle Waldwirtschaft einsetzen. Diese Fälle, Lösungen und Erkenntnisse müssen wir ausweiten und integrieren. Dazu brauchen wir eine effiziente Umweltpolitik, die in Technologie und Innovation im Forstsektor investiert. Wichtig ist auch eine gut ausgebaute Infrastruktur für den Verkauf der Produkte (z. B. Autobahnen, Flusstransportsysteme) sowie wirtschaftliche Subventionen für umweltfreundliche Forstbetriebe. Darüber hinaus müssen wir in qualitativ hochwertige Informationsgrundlagen investieren. Nur so können wir die Schäden angemessen bewerten, die die Abholzung in unserer Gesellschaft anrichten. Wir müssen darüber sprechen, was verantwortungsvolle Waldbewirtschaftung bedeutet und wie eine kohlenstoffarme Wirtschaftsweise aussehen kann, die Arbeitsplätze, Einkommen und Umweltbewusstsein schafft.

Mit Blick auf die Wahlen in Brasilien im Oktober: Was muss sich ändern, um die Situation für die Wälder zu verbessern?
Wir befinden uns in einer merkwürdigen Situation. Einerseits herrscht ein größeres Interesse an der Erhaltung der Wälder und ihrer Produkte, andererseits aber auch die Angst um deren Herkunft: Die Illegalität benachteiligt den gesamten Sektor und schreckt Investoren ab. Das muss bekämpft werden. Es gibt viele, viele gute Initiativen, die beweisen, dass eine ökologische Waldbewirtschaftung im Gleichgewicht zwischen Erhaltung und Nutzung möglich und bereits Realität ist.

Was können Verbraucher:innen in Deutschland tun, um den Stopp der Abholzung des Amazonas-Regenwaldes zu unterstützen?
Nicht nur in Deutschland, sondern auch hier in Brasilien und überall auf der Welt müssen sich Konsumenten informieren. Wir können die Verbraucher nicht direkt für die Abholzung verantwortlich machen, aber sie – oder wir – haben eine große Macht. Sie sollten einfordern, dass die Forstprodukte, die sie kaufen, ökologisch verträglichen Ursprungs sind. Dazu können Verbraucher nach dem FSC-Logo Ausschau halten. Alle unsere täglichen Konsumentscheidungen sind wichtig und machen einen Unterschied.
Forstwirtschaftliche Erzeugnisse durch andere Materialien zu ersetzen löst das Problem nicht, da diese Stoffe noch problematischer sein können. Vielmehr müssen wir die Herkunft der Forstprodukte und ihre Produktionsbedingungen hinterfragen und fordern, dass sie für alle Beteiligten gut sind. Es ist ein Prozess, ein langer Weg, aber ich glaube, dass wir ihn bereits begonnen haben und es kein Zurück mehr gibt.