08.11.2022

FSC-Generalversammlung: „Mutmachende internationale Zusammenarbeit“

Ein Rückblick von Norbert Bösken, Beauftragter des deutschen FSC-Sozialkammervorstands und Mitglied im deutschen Richtlinienausschuss

Mit den Eindrücken meiner ersten FSC General Assembly (GA) auf Bali im Gepäck, möchte ich die positive Energie dieses professionell vorbereiteten und durchgeführten Treffens der mit FSC verbundenen Menschen aus über 85 (!) Nationen mit Ihnen/Euch teilen. In Zeiten neuer völkerrechtswidriger Angriffskriege und allen damit einhergehenden Zerstörungen internationaler Bemühungen für ökonomische, ökologische und soziale Stabilität und Gerechtigkeit, war dieses alters- und gendergemischte Treffen ein Mut machender Kontrapunkt.  Ich erlebte zugewandte, gleichberechtigte und lösungsorientierte internationale Zusammenarbeit – und dies bei Themen, die von jedem bis an die Schmerzgrenze gehende Kompromisse erforderlich gemacht haben und in Zukunft immer wieder machen werden.

Motion 37 – eine große Herausforderung für FSC

Das für mich – und sicher für alle Beteiligten und Betroffenen – schwierigste Thema war die Lösungssuche für die Zertifizierung von Sekundärwäldern und Plantagen, die zwischen 1994 und 2020 auf zerstörten Urwaldflächen entstanden sind. Die Zerstörung, die die Verantwortlichen für die in diesem Zeitraum vernichteten Urwaldflächen hinterlassen haben, ist unvorstellbar groß. Gerade in Anbetracht des Wissens um die Bedeutung dieser Primärwälder für die Sicherung unserer natürlichen Lebensgrundlagen, das Weltklima und als existentieller Lebens- und kultureller Identitätsgeber der nunmehr ihrer Heimat beraubten Gemeinschaften mit Millionen von Einzelschicksalen.
Nach zwei Gesprächen – ich brauchte zwei, um mir der Tragweite bewusst zu werden – mit Anthony, einem langjährig bei FSC engagierten Umweltkammervertreter aus Indonesien, ist mir klar geworden, welchen Herausforderungen sich FSC hier stellt.

Zum Verständnis der heutigen Ausgangssituation vergleiche ich das mit dem rheinischen Braunkohletagebau in meiner rheinischen Heimat: Ich stelle mir vor, dass RWE und alle Vorgängerunternehmen die Genehmigung zum Braunkohleabbau von unserer Regierung erhalten hätten und rechtmäßig, ohne weitere Beteiligung der betroffenen Menschen und ohne Rücksicht auf die Naturgüter gewütet hätten – und sich jetzt unter dem Dach einer Zertifizierungsgesellschaft im 3-Kammer-Management mit den vertriebenen Menschen und Protagonisten auf Reparation und Rehabilitation einigen müssen.

Das Feld nicht den Raubrittern dieser Zeit überlassen

Anthony antwortete mir auf meine Frage, ob er die Rehabilitation der entrechteten und ihrer Heimat sowie ihrer materiellen und kulturellen Lebensgrundlage beraubten Menschen für möglich hält, mit einem klaren Nein. Meine Frage, ob er eine Alternative für das von FSC eingeschlagene Lösungsszenario sieht, beantwortete er ebenfalls mit einem klaren Nein. Sein Statement, diesen Widerspruch zu akzeptieren und gleichzeitig von der Option für eine zukunftsfähige Lösung überzeugt zu sein, beschäftigt mich bis heute. Nach den Erfahrungen aus den zugewandten Gesprächen mit Vertretern der unterschiedlichsten Gruppen aller Kammern und Mitarbeitenden von FSC teile ich seine Meinung nunmehr uneingeschränkt.

Es nicht zu versuchen, würde uns in unserem Bemühen für eine sozial, ökologisch und ökonomisch ausgleichende nachhaltige Waldentwicklung weiter nach hinten werfen. Es würde bedeuten, den Raubrittern unserer Zeit das Feld früher oder später ganz zu überlassen. Zahlreiche bei der GA vorgestellte nachhaltige FSC-Lösungen geben Zeugnis darüber, dass ökologisch, sozial und ökonomisch tragfähige Lösungen für nahezu alle Ausgangslagen möglich und standardgerecht zertifizier- und auditierbar sind!

Kraftanstrengungen honorieren und unterstützen

Wir haben bis heute für die kurzsichtige Verfeuerung unserer Braunkohlelagerstätten und viele unbedachte Sauereien mehr im globalen Kontext sicher auch noch einiges wiedergutzumachen. Deswegen sollten wir als Verbraucher und in unserer nationalen FSC-Gruppe mit darauf achten, dass wir die Kraftanstrengungen und Lösungsansätze von FSC für faire Reparationen und Teilhabe sowie für eine naturnachhaltige integrierte Walderhaltung und -nutzung honorieren und unterstützen.  Da nachhaltige Lösungen immer auf eine breite Unterstützung angewiesen sind, verfügen wir mit unserem demokratischen 3-Kammer-Mehrheitssystem über ein sicher etwas behäbiges, aber angesichts der großen Herausforderungen alternativloses Entscheidungswerkzeug. Sich dieser Verantwortung zu entziehen, würde damit auch bedeuten, sich von zukunftsfähigen Lösungen zu entkoppeln.

Ich danke Elmar Stertenbrink, der mich als Beauftragten für den deutschen FSC-Sozialkammervorstand und als Mitglied im deutschen Richtlinienausschuss zu dieser tollen Erfahrung motiviert hat. Ich danke außerdem Marion Karmann und Uwe Sayer, die mich vor Ort immer mal wieder an die Hand genommen haben, und denen ich bei ihrem engagierten Job für FSC des Öfteren über die Schultern sehen konnte.

Autor: Norbert Bösken

Ergebnsisse und Eindrücke der Generalversammlung finden sich auch im >> Beitrag von FSC Deutschland vom 17.10.2022