7 Okt., 2025

Die Macht der Motions

Vom Mitgliederantrag zum Eckpfeiler von FSC

Im Laufe der Jahre haben Anträge, bekannt als Motions, zu bedeutenden, dauerhaften Veränderungen geführt – zum Schutz bedrohter Ökosysteme, zur Stärkung der Führungsrolle indigener Völker und zu einer inklusiveren Zertifizierung. Im Vorfeld der nächsten Generalversammlung Ende Oktober blickt FSC International zurück auf vier wegweisende Anträge, die als Vorschläge von Mitgliedern begannen und heute zu Eckpfeilern von FSC geworden sind.

In der FSC-Generalversammlung (General Assembly, GA) kommen die Stimmen unserer vielfältigen Mitglieder zusammen, debattieren und legen den Kurs für eine verantwortungsvolle Waldwirtschaft weltweit fest. Im Gegensatz zu den meisten Organisationen werden die Ausrichtung und der Schwerpunkt von FSC direkt von seinen Mitgliedern geprägt, und zwar durch Anträge, die in der GA vorgeschlagen, verfeinert und abgestimmt werden. Was als Antrag in der GA beginnt, entwickelt sich oft zu etwas viel Größerem: zu einem dauerhaften Bestandteil des FSC-Systems, der in unseren Standards, unserer Governance und unserer täglichen Arbeit verankert ist.

2014: Schutz intakter Waldlandschaften

Die FSC-Standards für die Waldbewirtschaftung enthalten mehrere Anforderungen für den Schutz und die Bewirtschaftung von ökologisch und/oder sozial besonders wichtigen Waldgebieten, die als Wälder mit hohem Schutzwert (High Conservation Value, HCV) bezeichnet werden. Zu diesen HCVs gehören intakte Waldlandschaften (Intact Forest Landscapes, IFLs). IFLs sind große, zusammenhängende Waldgebiete, die nicht durch Straßen oder andere bedeutende menschliche Infrastruktur beeinträchtigt sind. Sie sind für die Biodiversität, die Klimastabilität und die indigenen Kulturen von entscheidender Bedeutung.

Der Schutz von HCV-Wäldern ist in Grundsatz 9 der FSC-Prinzipien und -Kriterien (Principles  and Criterias, P&C) enthalten, und da IFLs eine Art von HCVs sind, gab es bei FSC bereits einige Bestimmungen für eine verantwortungsvolle Waldwirtschaft auf diesen Flächen. Im Jahr 2013 wiesen Mitglieder der FSC-Umweltkammer jedoch darauf hin, dass seit 2000 weltweit große Flächen von IFL verloren gegangen oder degradiert worden seien, und waren der Ansicht, dass diese Gebiete über die bereits bestehenden Schutzmaßnahmen für HCV hinaus zusätzliche Schutzmaßnahmen benötigten.

Auf der FSC-Generalversammlung 2014 in Spanien erkannten die Mitglieder die Notwendigkeit an, IFL innerhalb von FSC-zertifizierten Wäldern zu schützen. Der Antrag 65 (2014) forderte die Normungsgremien und Zertifizierungsstellen (CBs) auf, Indikatoren in nationalen und CB-Normen zu entwickeln, zu ändern oder zu verstärken, um den Großteil der IFL zu schützen. Zur Umsetzung dieses Antrags entwickelte FSC spezifische internationale Generische Indikatoren (IGIs) zum Schutz von IFL.

Anschließend erhielt FSC Rückmeldungen von Mitgliedern, Interessengruppen und Regierungen. Einige äußerten Bedenken, dass die neuen Anforderungen eine verantwortungsvolle Waldbewirtschaftung beeinträchtigen könnten, insbesondere im Amazonasgebiet und im Kongobecken. Als Reaktion darauf verabschiedeten die Mitglieder auf der Generalversammlung 2017 den Antrag 34 (2017), in dem eine Überprüfung der wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Auswirkungen der IFL-Anforderungen gefordert wurde.

Auf der Generalversammlung 2021–2022 in Bali verabschiedeten die Mitglieder den Antrag 23. Dieser unterstützte einen neuen Ansatz, der über die zertifizierten Waldflächen hinaus auch die lokalen Bedingungen und die weitere Landschaft berücksichtigt.

Die Diskussion darüber, wie IFLs geschützt werden können, dauert noch an, was zeigt, wie wichtig und manchmal auch umstritten dieses Thema innerhalb von FSC ist. Im März 2025 kam der internationale FSC-Vorstand überein, dass es an der Zeit sei, die Rolle von FSC bei der Definition, Verwaltung und dem Schutz von IFLs zu überdenken. Derzeit wird ein Diskussionspapier erstellt, um Beiträge von Mitgliedern zu sammeln und die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu berücksichtigen.

https://fsc.org/en/newscentre/general-news/fsc-members-pass-a-motion-to-ramp-up-landscape-level-conservation-of-intact

Um zu erfahren, wie Mitglieder aus aller Welt die Bedeutung intakter Waldlandschaften einschätzen, sehen Sie sich dieses kurze Video von der Generalversammlung 2022 in Bali an. Es bietet einen einzigartigen Einblick in die vielfältigen Stimmen und Ideen, die den FSC zu dem machen, was er heute ist.

2011: Anerkennung von Ökosystemleistungen

Die FSC-Mitglieder haben seit langem erkannt, dass der Wert von Wäldern weit über Holz hinausgeht. Wälder erbringen wichtige Ökosystemleistungen: Sie speichern Kohlenstoff, regulieren den Wasserhaushalt, erhalten die biologische Vielfalt, schützen Böden und bieten kulturelle und Freizeitvorteile, die das Leben auf der Erde erhalten.

Auf der Generalversammlung 2011 in Malaysia beschlossen die Mitglieder, dass es an der Zeit sei, diese Werte im FSC-System widerzuspiegeln. Mit dem Antrag 10 forderten sie FSC auf, Methoden zu entwickeln, um zu bewerten und aufzuzeigen, wie eine verantwortungsvolle Waldbwirtschaft die Ökosystemleistungen erhält und verbessert. Das Ziel war klar. Waldbewirtschaftende sollten in der Lage sein, diese Vorteile aufzuzeigen und für ihre Bemühungen Anerkennung und Anreize zu erhalten.

Im Einklang mit diesem Auftrag arbeitete FSC mit Zertifikatsinhabern zusammen, um einen praktischen Rahmen zu erforschen, zu testen und zu entwickeln. Diese Arbeit gipfelte 2018 in der Veröffentlichung des Verfahrens für Ökosystemleistungen, das es Waldbewirtschaftenden ermöglicht, die positiven Auswirkungen ihrer Bewirtschaftung auf Ökosystemleistungen zu messen, zu überprüfen und zu kommunizieren. Durch die Anwendung des Verfahrens können Zertifikatsinhaber glaubwürdige, überprüfte Aussagen über die zusätzlichen Vorteile ihrer Wälder machen. Dies öffnet die Tür zu neuen Märkten und Unterstützung. Auf der Generalversammlung 2021-2022 verabschiedeten die Mitglieder von FSC Anträge zur Erweiterung des Anwendungsbereichs der FSC-Lösungen für Ökosystemleistungen und zur Verbesserung des Zugangs zu Anreizen und Vorteilen für den Schutz von hohen Schutzwerten (High Conservation Values, HCVs). Dazu gehören die Überarbeitung des Verfahrens für Ökosystemleistungen, um dessen Potenzial zu maximieren (Antrag 48/2021), die Ausweitung seines Anwendungsbereichs auf Klima- und Naturmärkte (Antrag 49/2021) sowie die Ausweitung auf die Anerkennung kultureller Dienstleistungen und Praktiken indigener Völker (Antrag 53/2021).

Heute wird diese Vision unter dem Namen „Verified Impact” fortgesetzt, das auf den Grundlagen des Ökosystemleistungsverfahrens aufbaut. Verified Impact stärkt die Fähigkeit von FSC, die vielfältigen Beiträge, die verantwortungsvoll bewirtschaftete Wälder für die Menschen und den Planeten leisten, aufzuzeigen und zu belohnen. Es verbindet Waldbewirtschaftende mit Unternehmen, Investoren und anderen, die diese messbaren Ergebnisse unterstützen und fördern möchten. Um zu sehen, wo Verified Impact heute steht, können Sie diese Seite besuchen.

2011: Führungsrolle der indigenen Völker

Die FSC-Generalversammlung ist seit langem ein Forum, in dem Mitglieder mutige Ideen zur Stärkung des Systems und zur Förderung der Gerechtigkeit vorbringen. Im Jahr 2011 erkannten die Mitglieder, dass das Wissen, die Rechte und die Führungsrolle der indigenen Völker für die Zukunft der Wälder unverzichtbar sind – und dass diese Stimmen in den Mittelpunkt der Entscheidungsfindung von FSC eingebunden werden müssen. Mit dem Antrag 19 forderten sie die Einrichtung eines ständigen Gremiums zur Vertretung indigener Völker innerhalb des FSC. Diese Entscheidung führte 2013 zur Gründung des Ständigen Ausschusses für indigene Völker (PIPC), der sicherstellt, dass indigene Perspektiven in alle Ebenen der FSC-Governance, -Politik und -Standards einfließen.

In den folgenden Jahren haben die Mitglieder dieses Engagement durch zusätzliche Anträge vertieft, die sich auf die Stärkung der indigenen Völker innerhalb der zertifizierten Forstwirtschaft konzentrierten – darunter die Aufnahme der Rechte indigener Völker in die FSC-Satzung sowie die Anpassung der Zertifizierung an die Realitäten indigener Gemeinschaften.

Im Jahr 2017 stärkten sie die freie, vorherige und informierte Zustimmung (FPIC), um sicherzustellen, dass diese als einvernehmlicher Prozess erreicht wird (Antrag 40 / 2017). Ein weiterer Antrag (Antrag 71) führte das Konzept der „indigenen Kulturlandschaften” – Gebiete, die für indigene Völker wichtig sind, beispielsweise aufgrund ihrer dauerhaften Verbindung zu Land, Wasser oder Natur – in das FSC-System ein.

Diese Maßnahmen haben die indigene Führung zu einem prägenden Merkmal der FSC-Governance gemacht. Heute prägen indigene Völker durch das PIPC, die FSC Indigenous Foundation und das Engagement verschiedener indigener Gruppen innerhalb der FSC-Mitgliedschaft weiterhin die Vision des FSC und sorgen dafür, dass Wälder auf eine Weise bewirtschaftet werden, die ihre Kulturen, Rechte und ihr Wissen respektiert.

2014: Türen öffnen für Kleinbauern

Für Millionen von Kleinbauern, darunter Familienbetriebe und Genossenschaften, sind Wälder wichtige Lebensgrundlage. Für viele schien die FSC-Zertifizierung jedoch unerreichbar. Hindernisse wie Kosten, administrative Komplexität und starre Anforderungen schlossen diese kleineren Waldbesitzenden und Gemeinschaften oft aus, obwohl sie eine entscheidende Rolle bei der verantwortungsvollen Waldbewirtschaftung spielen.

Auf der Generalversammlung 2014 erkannten die Mitglieder diese Herausforderung und verabschiedeten eine Reihe von Anträgen zur Unterstützung von Kleinbauern. Sie forderten eine detaillierte und umfassende Überprüfung des FSC-Zertifizierungssystems, um es an kleine Wälder auf der ganzen Welt anzupassen. Damit wurde der Grundstein für die Initiative „Neue Ansätze für die Zertifizierung von Kleinbauern” gelegt. Die Initiative wurde 2016 ins Leben gerufen und später zu einem vollwertigen Programm namens „Community and Family Forests” (CFF) ausgebaut, das eine Toolbox bereitstellt, die den Erhalt der FSC-Zertifizierung erleichtert und diesen Akteuren Vorteile bietet.

Im Jahr 2017 gingen die Mitglieder mit dem Antrag 46, der als „Superantrag” bekannt ist, weil er sechs Anträge zu einem zusammenfasste, noch einen Schritt weiter. Er räumte dem Programm „Neue Ansätze” Priorität ein und forderte ausdrücklich die Entwicklung innovativer Lösungen zur Verringerung von Hindernissen. Sein Ziel war es, die FSC-Zertifizierung für Kleinbauern und Gemeinschaftswälder zugänglicher zu machen.

Seitdem hat FSC eine Vielzahl von politischen und marktbezogenen Instrumenten getestet und eingeführt. Diese haben dazu beigetragen, dass mehr dieser wichtigen Waldbewirtschaftenden an der FSC-Zertifizierung teilnehmen und davon profitieren können. Ihre Stimmen und Beiträge sind nach wie vor von zentraler Bedeutung für unsere Mission.

Die globale FSC-Strategie 2021-2026 bekräftigt dieses Engagement, indem sie eine Vergrößerung der Waldfläche verspricht, die durch kleine, wenig intensive und kommunale Forstbetriebe bewirtschaftet wird. Dies spiegelt sich in Ziel 2.4 der Strategie wider, das sich auf die Stärkung der Unterstützung für indigene Völker, Gemeinden und Kleinbauern konzentriert. Heute sind weltweit rund 680 Kleinbauern FSC-zertifiziert, die insgesamt etwa 14 Millionen Hektar bewirtschaften. Sie werden durch eine Reihe von Instrumenten unterstützt, die die Zertifizierung vereinfachen und zugänglicher machen sollen. Entdecken Sie hier die Angebote.

Weitere Informationen zu Motions und der FSC General Assembly finden Sie auf unserer Internetseite hier…

Annika Burger